Wo alle Meister werden – Saisonfinale in den Konzertsälen
Der Sommer steht vor der Türen, während sich jene der Konzertsäle der Stadt sich zum letzten Mal in der ablaufenden Saison öffnen: Oper, Ballett und Symphoniker laden zum finalen Ausklang – wir haben die Wahl, wie es in die Ferien geht: furios, tragisch, romantisch oder alles zu gleich.

(Michael Magercord) – Im Sport geht es am Ende der Saison immer auf die Entscheidungen zu. Die Abschlusstabellen lügen nicht, Meister und Absteiger stehen fest. Ganz so einfach ist das nicht, wenn eine Spielzeit im Konzertsaal oder Opernhaus zu Ende geht. Aber eine Bilanz steht natürlich trotzdem an. Nur dass die Tabelle wohl bei jedem etwas anders aussehen wird: Jeder sucht sich seinen Meister selbst aus.
War es der Rachmaninow mit dem Zyklus seiner Klavierkonzerte der Straßburger Philharmonie? Oder doch Schostakowitschs 10. Symphonie? Aber auch die Alten sind ja nicht schlecht: Polifemo, die Barockoper um den verliebten Zyklopen inszeniert in der Rheinoper als Hollywood-Filmklassiker. Oder Lohengrin: Auf der Bühne ging es vielleicht etwas allzu statisch zu, aber gesungen war es Wagner at its best. Musikalisch überraschend war natürlich auch die Oper um „Guercoeur“, den unglücklichen Paradiesbewohner, dessen Fluchtinstinkt aus dem ziemlich tristen, schwarzwandigen Bühnenparadies man allerdings durchaus nachvollziehen konnte. Und dann war da noch… aber halt! Soll das doch jeder für sich entscheiden – und außerdem: Die Saison ist ja noch nicht vorbei.
Die Straßbuger Philharmonie OPS wird am 4. Juni mit Brahms „Deutsche Requiem“ in großer Besetzung mit Orchester und Chor die offizielle Saison im Saal des PMC abschließen. Am 22. Juni folgt dann noch das schon traditionelle Konzert vor den großen Ferien im Park der 2 Ufer, also direkt an der Fußgängerbrücke nach Kehl. Eintritt ist frei und im Falle einer regenreichen Wetterprognose wird es um einen Tag verschoben.
In der Rheinoper wird die Spielzeit wie immer mit einem klassischen Werk zu Ende gehen. Ein guter alter italienischer Gassenhauer steht ab 11. Juni auf dem Programm: Norma. Die Schönheit dieses gesanglich anspruchvollen Bellcanto aus dem Jahre 1831 ist erst wieder in 1950er durch die Interpretation von Maria Callas ins Bewusstein gerückt worden. Seither aber darf die Oberpriesterin der Mondgöttin mit ihrer goldenen Stimme uns gewöhnlichen Erdlingen ins Gewissen singen. In Straßburg und Mülhausen wird das der gestandene Sopran von Karine Deshayes übernehmen. Das letzte Rezital der Saison wiederum bestreitet der Tenor Cyril Dubois am 12. Juni.
Das Ballett der Rheinoper lädt jedes Saisonende unter dem Titel „Spectres d’Europe“ zum Stelldichein mit drei jungen europäischen Choreografen des Nachwuchs ein. In Colmar ab 7. Juni, in Straßburg ab Ende des Monats. Auch im Auditorium des Konservatoriums müssen die Studenten vor den Ferien noch einmal ran: Am 8. Juni spielt die „Junge Harmonie“ Bläserwerke von Bizet, Delibes und Satie – und das sicher nicht umsonst, aber dafür immerhin kostenlos.
Und dann war’s das also und die Zeit, Bilanz zu ziehen, steht an. Und nicht nur künstlerisch. Es hat sich ja schon über den Rhein hinweg herumgesprochen, dass die Kulturpolitik der aktuellen grünen Stadtregierung von Straßburg ihre Schwerpunkte neu gesetzt hat. Die städtischen Geldmittel für die Kultur werden umgeschichtet, eher weg von der so genannten Hochkultur hin zu scheinbar populäreren Kunstformen. Also grob gesagt: Hiphop statt Dreivierteltakt, Gangsta-Rap statt Liebesduett.
Das wirkt sich bei der Programmgestaltung von Oper und Philharmonie aus: Weniger Aufführungen, weniger Konzerte, Abspecken bei der Bühnenausstattung, manche Opern werden nur noch konzertant dargeboten, also ohne aufwendige Inszenierung.
Dieser Trend wird zunehmen, obwohl in der vergangenen Saison die Zuschauer noch einmal mehr und auch jünger geworden sind. Aber es stimmt: Ohne öffentliche Förderung ist Oper und symphonische Musik nicht zu haben. Und es stimmt auch, dass Einsparungen möglich sind. Ein nun endlich ernsthaft eingeschlagener Weg ist die erhöhte Kooperation der Operhäuser untereinander. Neuproduktioen sind ab sofort immer Koproduktionen mehrerer Häuser miteinander. Der positve Effekt: die Operninszenierung gehen auf Reisen, nicht mehr notgedrungen die Publikumsscharen.
Und natürlich steht nun die Entscheidung an, wie sich die Neugestaltung des Straßburger Opernsaals nach der Renovierung des alterwürdigen Gebäudes darstellen soll. Die Ergebnisse von drei Gutachten sollen noch im Juni präsentiert werden. Alles ist offen, heißt es, vom behutsamen Umgang mit dem Bestand bis zum völligen Abriss der jetzigen Innenausstattung aus dem 19. Jahrhundert. Will man eine Tendenz ablesen, so scheint die auf leider etwas altbackene Art „moderne“ Stadtregierung eher zum Letzteren zu neigen, während das Publikum um den wunderschönen alten Saal bangen muss.
Eine Entscheidung ist bereits gefallen: In den drei für die Renovierung angesetzten Jahren ab 2026 wird die Oper ihren Sitz im einstigen Sängerhaus einnehmen, dem heutigen Palais de Fetes. In dem immerhin halbwegs respektvoll renovierten Saal in der Neustadt werden zwar nicht alle, so doch die meisten Opern aufgeführt werden. Und bleibt es beim heutigen allgemeinen Tempo von Bauarbeiten, dürfte es kaum bei den anvisierten drei Jahren bleiben…
Die nächste Spielzeit findet noch im alten Gebäude statt und dazu erst einmal nur soviel: Es wird noch sechs rundum ausgestattete Inszenierungen geben. Die Straßburger Philharmonie wiederum wird wie schon in der letzten Saison etliche ihrer Abonenntenkonzerte nur noch ein einziges Mal aufführen. Wohl nicht ganz ohne Selbstironie steht die folgende Saison unter dem Motto: Jede einzelne Note teilen und den Augenblick leben!
So, nun aber auf ins letzte Vergnügen der noch laufenden Spielzeit, und am Ende werden wir wieder die Gewinner sein, wir, die Zuhörer und Zuschauer. Zumal, wenn uns die Oberpriesterin Norma das Gebet „Casta Diva“ an die Mondgöttin mit der Bitte um Frieden singen wird: Mögen also uns wenigstens die Götter der Bühnen, deren Bretter ja immerhin die Welt bedeuten, einen friedlichen Sommer bescheren.
Brahms – Deutsches Requiem
Konzert der Straßburger Philharmoniker OPS
FR 4. Juni, 20 Uhr
PMC – Straßburg,Wacken
Tickets und Informationen unter DIESEM LINK!
Norma – Oper in zwei Akten von Vincenzo Belleni aus dem Jahr 1831
Dirigent Andrea Sanguineti
Regie: Marie-Eve Signeyrole
Musik: Symphonieorchester Mülhausen
Opéra Straßburg
DI 11. Juni, 20 Uhr
DO 13. Juni 20 Uhr
SO 16. Juni, 17 Uhr
DI 18. Juni, 20 Uhr
DO 20. Juni, 20 Uhr
La Filature – Mülhausen
FR 28. Juni, 20 Uhr
SO 30. Juni, 17 Uhr
Ballet – Spectres d’Europe
3 Stücke junger Nachwuchs-Choreografen
Ab 7. Juni zweimal in Colmar und Mülhausen, viermal in Straßburg ab 30 Juni
Rezital – Cyrille Dubois, Tenor
mit Liedern von Fauré bis Poulenc
MI 12. Juni, 20 Uhr
Tickets und Information unter DIESEM LINK!
Musikhochschule Straßburg
Konzerte von Studenten und Workshops zu Instrumenten
Das Programm mit Veranstaltungen, die für das externe Publikum in der Regel kostenlos zugänglich sind, finden sie unter DIESEM LINK!
Und nun noch ein Kulturtipp zum Mitmachen:
Die Straßbruger Philharmonie sucht für ihr Sylvester- und Neujahrskonzert noch Mitsänger! Alle Stimmlagen sind gefragt.
Volljährigkeit ist Voraussetzung, Englisch oder Französisch sollte man beherrschen und natürlich auch Erfahrung im polyfonen Chorgesang mitbringen.
Gesungen werden Gospels von Händel bis Gershwin
Wer sich angesprochen fühlt, kann am 9., 10. und 16. Juni zum Vorsingen in den PMC kommen.
Kommentar hinterlassen