Wo der Kalif Recht hat, da hat er nun mal Recht

Der „Islamische Staat“ will wohl wirklich ein Staat werden. Dazu plant er, eine eigene Währung einzuführen. Wirtschaftlich ist das zwar mehr als fraglich, die Begründung dafür ist aber gut.

Mit der Herausgabe von Münzen will sich der "Islamische Staat" vom "satanischen Finanzsystem" lösen. Foto: Chell Hill / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Mit der neuen Währung will sich der „Islamische Staat“ vom globalen Finanzsystem ablösen, das mit „satanischem Zinswucher“ die Welt im Griff hat. Abgesehen vom typisch schrägen und mittelalterlich-fanatischen IS-Duktus macht die Terrormiliz damit das, was unsere europäischen Politiker vor jeder Wahl wortgewaltig ankündigen, nur um nach den Wahlen wieder brav vor „den Märkten“ zu kuschen. Vielleicht sollte man sich im Westen in diesem einen Thema mal etwas vom IS abschauen. Nur in diesem einen Bereich. Auch, wenn man dem IS kein Wort glauben sollte, wenn er behauptet, dass dies Allah zum Gefallen geschehe. Denn Allah bekommt bei der Islam-Interpretation des IS gerade graue Haare.

Dass die mit der Gier der „Finanzmärkte“ einhergehende Krise, die sich hübsch aus Währungs-, Finanz- und Wirtschaftskrise zusammensetzt, von der eben diese Märkte prächtig profitieren, etwas ist, was man eigentlich bekämpfen sollte, darin sind sich der IS und sogar der französische Präsident einig. Man erinnere sich nur an den Wahlabend der französischen Präsidentschaftswahlen, als der frisch gekürte Hollande mit ausgebreiteten Armen rief, dass sich nun die Banken warm anziehen müssten. Mussten sie aber nicht. Denn Hollande, ebenso wie alle anderen Politiker, wurde schnell eines Besseren belehrt. Die Macht im Lande, und das gilt für alle Länder der Welt, liegt nicht bei der Politik, sondern in den Händen dieser Märkte, deren Geschäftsmodell, da hat der IS gar nicht mal Unrecht, auf „satanischem Wucher“ basiert.

Das geplante Geld des Kalifats soll es nur in Münzform geben. Und der Wert dieser Münzen soll an den Materialwert des verwendeten Metalls gekoppelt sein. Gold, Silber und Kupfer. Wobei die Frage gestattet sei, wem der IS dieses Gold, Silber und Kupfer klauen will. Oder schon geklaut hat? Im Namen des Islam?

In allen Weltreligionen ist der Handel mit Geld eigentlich ein Tabu. Juden sollen nur von Nichtjuden Zinsen nehmen, der Islam verbietet Wucher, Jesus hat die Bänker und Geldverleiher aus dem Tempel vertrieben. Insofern hat der IS sogar Recht, wenn er das globale Finanzsystem brandmarkt und in Frage stellt. Schade nur, dass dies ausgerechnet die Falschen tun.

Noch wird die Ankündigung des IS vielerorts belächelt. Der IS und eine eigene Währung? Man sollte nicht lächeln. Der IS ist gerade dabei, eine Art Staatsgebilde auf die Beine zu stellen und die fundamentalistischen Terroristen scheinen über kaum versiegende Geldquellen zu verfügen. Inzwischen soll es im IS eine Art Krankenversicherung und Sozialleistungen für die Familien von getöteten Milizionären geben und durch den Beitritt großer fundamentalistischer Organisationen in weiteren arabischen Ländern wie Ägypten wird die Situation in der ganzen arabischen Welt explosiv. Die gemäßigten Kräfte in der arabischen Welt werden leiser, die Stunde der Fundamentalisten scheint geschlagen zu haben.

Nichtsdestotrotz – das vom IS verteufelte „satanische“ Finanzsystem ist tatsächlich die Wurzel der aktuellen Krisen. Die wirtschaftliche Ausbeutung Afrikas durch die Länder des Westens, die selbst nach den Jahren der Kolonialzeit faktisch die wirtschaftliche Kontrolle über die „unabhängigen“ Staaten Afrikas behalten haben, hat zu dem tiefen Graben beigetragen, der zwischen dem Norden und dem Süden aufgegangen ist. Dort, wo gekämpft wird, sind bereits die Umverteilungskämpfe des 21. Jahrhunderts im Gang und ein Flächenbrand ist vorprogrammiert. Und dass der Westen mit seinem ausbeuterischen und unterdrückenden Geldsystem zu diesem Graben maßgeblich mit beigetragen hat, ist ebenfalls klar.

Vielleicht sollten die Länder des Westens von sich aus unser zutiefst korruptes, die Volkswirtschaften aussaugendes, nichts produzierendes und Menschen ins Elend stürzendes Finanzsystem radikal reformieren. Bevor es irgendwann der IS für uns tut.

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