Wo die deutsch-französische Zusammenarbeit toll funktioniert

Während die deutsch-französischen Beziehungen in der großen Politik reichlich in den Seilen hängen, funktionieren sie dort hervorragend, wo die Menschen in konkreten Projekten zusammen arbeiten. Und wie!

Eric Lassiaille ist nicht nur ein ausgezeichneter Küchenchef und Hotelbesitzer, sondern auch ein "praktischer Humanist". Foto: Phil Bergdolt

(Red) – Seit einigen Jahren organisiert das Berufsgymnasium „Lycée des Métiers Charles Pointet“ im oberelsässischen Thann im Rahmen des Programms „Azubi – BacPro“ Praktika für die elsässischen Schülerinnen und Schüler in deutschen Unternehmen. Im Hotel- und Gaststättenbereich empfangen die beiden „Mercure“-Hotels in Freiburg diese Schülerinnen und Schüler für Praktika, die vier Wochen dauern. Nach Auskunft der Schulleiterin Madeleine Meyer absolvieren alleine in diesem Jahr 37 Schülerinnen und Schüler dieses Programm, das in enger Zusammenarbeit mit der Edith-Stein-Schule in Freiburg, der Hoga in Villingen und der Hoga in Tettnang durchgeführt wird. Phil Bergdolt und Kai Littmann haben die Akteure dieses Austauschs getroffen.

Eric Lassiaille, Besitzer des „Panoramahotels“ in Freiburg, dem vielleicht schönsten Hotel der Stadt, von dem aus man einen wunderbaren Blick über das ganze Rheintal genießt, ist zufrieden. Der Spitzenkoch und Inhaber des Hotels hat seine eigenen Anfänge nicht vergessen. „Ich habe in fünf verschiedenen Ländern gearbeitet und ich glaube, dass solche Erfahrungen im Ausland für junge Menschen in unseren Berufen enorm wichtig sind. Andere Kulturen, Religionen und Verhaltenscodes kennenzulernen, das öffnet den Geist und fördert die Toleranz“. Um seinen eigenen Werdegang mit den jungen Elsässern zu teilen, engagiert er sich in diesem Austauschprogramm, in dessen Rahmen die jungen Elsässer die Arbeitswelt beim deutschen Nachbarn entdecken, hier ihre Fremdsprachenkenntnisse in der Arbeit verbessern und eine andere Arbeitskultur erfahren. Und das funktioniert großartig. „Die Erfolgsquote dieser Praktika, und ich spreche dabei sowohl vom Erfolg der Jugendlichen wie dem für unser Haus, liegt bei ungefähr 80%“, sagt Eric Lassiaille und diese Zahl wird vom Direktor des „Mercure“ in der Freiburger Innenstadt, Patrick Graf-Mathias, bestätigt. „Die jungen Elsässer haben Lust zu lernen und wollen sich aktiv in die Arbeit einbringen – für uns ist das eine echte ‘Success Story’“, freut er sich.

Dabei konnte man zuletzt in verschiedenen Artikeln der regionalen Presse lesen, dass die jungen Elsässer nicht so erpicht darauf sind, sich dem deutschen Arbeitsmarkt zu nähern und dass die deutschen Unternehmer zögern, jungen Elsässern eine Chance zu geben. Die Erfahrungen von Eric Lassiaille und Patrick Graf-Mathis bestätigen diese Probleme allerdings nicht. „Die Organisation durch das ‚Lycée des Métiers Charles Pointet‘ in Thann ist hervorragend, man kümmert sich dort um alle Verwaltungsfragen und wir sorgen für den Empfang und die Ausbildungsaspekte vor Ort“, sagen beide.

Es gibt immer Luft nach oben. – Allerdings hat Eric Lassiaille auch Ideen, wie man diese Austauschprogramme noch verbessern könnte. „Wir selbst können uns noch verbessern“, erklärt er, „es ist unsere Aufgabe, die Jugendlichen für unsere Berufe zu begeistern. Wir sollten mit anderen Kollegen das einführen, was ich einen ‘tonischen Austausch’ nenne und dabei den Jugendlichen ermöglichen, Zeit bei einem von uns zu verbringen und dann das Hotel oder Restaurant eines Kollegen. Spitzenhotels und –Restaurants gibt es reichlich in der Region und somit könnten die Jugendlichen noch vielfältigere und vollständigere Erfahrungen machen.“

Aber woher kommen dann die Probleme, von denen kürzlich berichtet wurde? „Es liegt nicht an fehlenden Informationen, jeder druckt heute Broschüren und Flyer zu dem Thema. Aber wir sollten in die Schulen gehen und die jungen Leuten für das zu begeistern, was wir an unseren Berufen lieben. Wir sollten ihnen erzählen, wie wunderbar es ist, die regionalen Erzeuger zu treffen, ihre Produkte wie Fleisch, Gemüse oder Käse zu probieren, wir sollten ihnen sagen, wie zufrieden einen eine gut gemachte Arbeit machen kann und welche Vorteile unsere Berufe bieten. Man spricht oft von den Unannehmlichkeiten im Hotel- und Gaststättengewerbe, von der Arbeit zu Zeiten, in denen andere nicht arbeiten, doch das ist nicht unbedingt ein Nachteil, sondern kann auch ein Vorteil sein! In unseren Berufen haben wir Freizeit, wenn die anderen arbeiten müssen, in unseren Berufen lernt man die Welt und die Vielfalt der Kulturen kennen und unsere Berufen bieten große Karrierechancen für diejenigen, die sich richtig ins Zeug legen – es ist an uns in die Schulen zu gehen und den Jugendlichen diese Liebe zum Beruf zu vermitteln!“ Und Hand auf’s Herz, wenn man Eric Lassiaille so von seinem beruflichen Umfeld reden hört, dann versteht man, was Leidenschaft für den Beruf bedeutet.

Und wie sehen die Praktikanten das? – Und wie verlaufen diese Praktika für die Jugendlichen? Wie erleben Sie diese Erfahrung im Ausland? Für Gaëlle A. (17) ist es schon das zweite Praktikum in einem deutschen Hotel. „Klar, manchmal ist es schon etwas hart, wenn man weit von der Familie und den Freunden ist“, erzählt sie, „aber es ist eine tolle Erfahrung. Ich lerne hier Deutsch in der Praxis und mache dabei große Fortschritte. Ich habe Lust zu reisen und häufig ist die Arbeit im Ausland besser bezahlt als in Frankreich. Ehrlich gesagt geht die Zeit hier rasend schnell vorbei!“. Ob sie ihre eigene Erfahrung anderen empfehlen kann? Ohne eine Sekunde zu zögern antwortet sie „ja“!» Und die gleiche Antwort kommt auch von Patrick Graf-Mathis, Gaëlles Chef in dem Hotel, in dem Gaëlle A. ihr Praktikum absolviert. „Ich kann meinen Kollegen nur empfehlen, sich in solchen Programmen zu engagieren! Man muss den jungen Leuten eine Chance geben und ich sehe uns durch unsere hohe Erfolgsquote rundum bestätigt.“

Zu diesem Austausch gehört das letzte Wort Eric Lassiaille. „Ja, ich bin sehr zufrieden mit diesem Programm, allerdings sollten wir nicht immer nur über junge Elsässer sprechen, die ihre Praktika in Deutschland absolvieren. Es ist wichtig, dass es die gleichen Möglichkeiten auch für junge Deutsche in Frankreich gibt und überhaupt, in möglichst vielen Ländern. Damit die Jugendlichen eine interkulturelle und berufliche Entwicklung erleben, darf ein solcher Austausch nicht nur in eine Richtung gehen. Aber das werden wir auch noch erleben …“

Schule, Unternehmen, Jugendliche – wenn sich alle gleichermaßen engagieren, dann funktioniert das „Deutsch-Französische“ gut. Sehr, sehr gut sogar.

Patrick Graf-Mathis mit "seinen" beiden Praktikantinnen aus dem Elsass. Foto: Phil Bergdolt

Patrick Graf-Mathis mit “seinen” beiden Praktikantinnen aus dem Elsass. Foto: Phil Bergdolt

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