Wofür brauchen die Franzosen eigentlich noch ein Parlament?
Schon zum zweiten Mal in seiner Amtszeit pusht Premier Manuel Valls ein neues Gesetz am Parlament mit dem seltsamen Paragraphen 49-3 durch. Was ihn eine Vertrauensfrage kostet.
(KL) – Premier Manuel Valls hat es eilig. Das neue Gesetz „für Wachstum und Arbeit“, das allgemein nur „Loi Macron“ nach seinem Urheber, dem französischen Wirtschaftsminister Emmanuel Macron genannt wird, soll nun durchgepeitscht werden. Präsident Hollande hat auch schon gesagt warum – am 14. Juli empfängt er potentielle ausländische Investoren und denen will er zeigen, wie dynamisch Frankreich 2015 ist. Dass dabei auch die Demokratie auf der Strecke bleibt, kümmert weder Hollande, noch Valls. Denn mit dem Paragraphen 49-3 muss über das Gesetz im Parlament weder debattiert werden, noch findet eine Abstimmung statt. Stattdessen gibt es eine Vertrauensfrage, die Valls angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Assemblée Nationale gewinnen wird und dann gilt das neue Gesetz als angenommen.
„Wir wollen jetzt nicht noch ewig diskutieren“, so die Begründung für den Einsatz des Paragraphen 49-3, der faktisch das französische Parlament ausschaltet. Was dann auch die Konservativen und die Ultralinken veranlasste, den Sitzungssaal des Parlaments zu verlassen, als der Premier das Wort ergriff, um sein Vorgehen zu rechtfertigen.
Doch warum nun die Eile? Haben die regierenden Sozialisten gemerkt, dass sie die ersten drei Jahre ihrer Macht verschlafen haben und dass sie nur noch zwei Jahre vor sich haben, bevor sie 2017 abgewählt werden? Und warum müssen die Sozialisten, genau wie ihre deutschen Kollegen von der SPD, über Jahrzehnte erstrittene Arbeitnehmerrechte mit so einem undemokratischen Prozedere wieder abschaffen?
Das Gesetz „Loi Macron“ führt die Sonntagsarbeit wieder ein, wobei die lokal verantwortlichen die Wahl haben, ihren Bürgern zu gestatten, zwischen „0 und 12 Sonntagen im Jahr“ zu arbeiten. Dabei wurde keinerlei konkrete Vergütung festgelegt, diese sei „von Fall zu Fall zu regeln“. Außerdem werden in den großen Touristenzentren so genannte „Internationale Tourismuszonen“ eingerichtet, in denen 7 Tage die Woche bis Mitternacht gearbeitet werden kann.
Von der Liberalisierung des Fernbusverkehrs verspricht man sich einerseits 1000 neue Arbeitsplätze, andererseits will man weniger begüterten Franzosen eine kostengünstige Reisemöglichkeit bieten.
Bislang geschützte Berufe wie Notare sind nun nicht mehr geschützt. Wo früher die Berufsstände über die Niederlassung eines neuen Kollegen oder einer Kollegin entschieden, kann nun jeder sein Büro aufmachen, wann und wo er will, vorausgesetzt, er verfügt über ein entsprechendes Diplom.
Die Arbeitsgerichte sollen deutlich schneller und effizienter werden – was eigentlich prima ist. Weniger gut ist dagegen, dass die Entschädigungen bei Entlassungen ab sofort nach oben gedeckelt werden – was zu einfacheren Entlassungen führt.
Dann wird sich der französische Staat von etlichen Beteiligungen an großen Unternehmen trennen – und erhofft sich dadurch Einnahmen von 5 bis 10 Milliarden Euro, von denen 4 zur Schuldentilgung und der Rest für Konjunkturprogramme eingesetzt werden sollen.
Seltsam mutet eine Regelung des neuen Gesetzes an, nachdem private Firmen militärische Ausrüstungen von der Armee kaufen dürfen, um sie dann eben selber Armee vermieten zu dürfen. Wie dabei ein Mehrwert oder gar Arbeitsplätze entstehen sollen, fragen sich nicht nur Mitglieder der Opposition.
Zahlreiche weitere Maßnahmen stehen in diesem neuen Gesetz, dass nun mit Gewalt und ohne demokratische Abstimmung durchgeboxt wird. Doch auch, wenn sich die aktuelle Regierung damit als „kompromisslose Macher“ präsentieren will, ist dieser Effekt deutlich verfehlt – die Franzosen empfinden das Vorgehen als undemokratisch und es ist kaum anzunehmen, dass die PS damit viele Punkte sammeln kann.
Ob die französische Wirtschaft durch das Gesetz angekurbelt wird, muss sich erst noch zeigen. Dass die Demokratie in Frankreich durch das Vorgehen ernsthaft gelitten hat; steht dagegen außer Zweifel.
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