„Wollt ihr den totalen…“

Natürlich wollen heute (fast) alle den totalen Krieg. Die öffentliche Sprache wird immer kriegerischer und der III. Weltkrieg hat längst begonnen. Und er wird wie die beiden letzten Weltkriege werden.

Sehr weit sind wir davon inzwischen auch nicht mehr entfernt. Foto: Bundesarchiv, Bild-183-ashJ06318-/ Schwan / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Europa steckt mitten im Krieg. Einem Krieg, den wie immer niemand wollte, einem Krieg, der von den Sofas der Republik aus von älteren Herren befeuert wird, die zu ihrem Glück alt genug sind, um nicht mehr selbst an irgendeiner Front stehen zu müssen. Verschiedene Industrien und ihre Aktionäre machen Rekordgewinne, ob in der Rüstung, der Energie oder der Logistik und diejenigen, die sich wie in allen Kriegen bereichern, teilen uns täglich mit, dass dieser Krieg „alternativlos“ ist. Da sieht man mal, dass es sich lohnt, in Massenmedien zu investieren, auch, wenn diese immer weiter Verluste schreiben. Doch die öffentliche Meinung mit Propaganda füllen zu können, das hat eben keinen Preis.

Rüstungsfabriken sprießen aus dem Boden, unsere Wirtschaft ist auf „Kriegswirtschaft“ umgestellt worden, Selenskyi sammelt im Westen Milliarden ein und es scheint niemanden sonderlich zu stören, dass die Geschäfte mit Russland in der Zwischenzeit fast ungebremst weitergehen. Pecunia non olet und wenn Geschäfte mit Putin Gewinne abwerfen, dann gehorcht das eben den heiligen Gesetzen der Marktwirtschaft, auch, wenn wir damit Putins Krieg auf unbestimmte Zeit hinaus verlängern.

Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis warnt bereits vor dem „Pearl Harbor Point“, einem Angriff Russlands auf ein NATO-Land, auf den die NATO aufgrund ihrer Satzung dann direkt reagieren und in den militärischen Konflikt eingreifen müsste. Allerdings muss man der NATO wünschen, dass es nicht so weit kommt, denn die Truppen der NATO sind Lichtjahre davon entfernt, der russischen Armee wirklich etwas entgegensetzen zu können, es sei denn, man greift zu Waffen, die dann ein nukleares Inferno in Europa auslösen würden.

Nach wie vor verschweigt unsere Propaganda tapfer, dass die Front in der Ukraine Stück für Stück zusammebricht und ebenso tapfer berichten unsere Propaganda-Plattformen von „entscheidenden Erfolgen“ der ukrainischen Armee, wo inzwischen bereits Rückzüge und die Aufgabe bislang gehaltener Stellungen als „Erfolge“ verkauft werden. Doch ist die immer wahrscheinlicher erscheinende Möglichkeit, dass die Ukraine diesen Krieg militärisch verliert, im offiziellen Diskurs keine Option. Die Ukraine wird gewinnen und dann auch den letzten russischen Soldaten aus der Ukraine verjagt haben. Na klar.

Ja, was für Alternativen gibt es denn?“, so fragen viele. In einer Zeit, in der das Wort „Frieden“ zum Schimpfwort geworden ist, übersehen so ziemlich alle, dass es ganz andere Möglichkeiten gäbe, Russland unter Druck zu setzen. Natürlich nicht mit diplomatischem Hilfspersonal wie Annalena Baerbock, aber mit Fachleuten, die beispielsweise dafür sorgen, dass keine Geschäfte mehr mit Russland gemacht werden und wir in einem ersten Schritt aufhören, Putins Kriegskasse zu füllen.

 Diejenigen, die heute nach Friedenskonferenzen rufen, sind die Chinesen und nicht der Westen, dessen „Münchner Sicherheitskonferenz“ lediglich eine „Münchner Kriegskonferenz“ war, auf der Menschen eine Ausweitung und Verlängerung dieses Kriegs besprochen haben, an dem sie selbst und ihre Kinder nie aktiv teilnehmen müssen. Doch „Frieden“ ist inzwischen ein Wert, den sich die Allgemeinheit lieber für die Zeit nach dem Krieg aufhebt, wenn sich dann wieder alle zu symbolischen Terminen gegenseitig versichern werden, dass es „nie wieder Krieg“ geben darf. Zumindest nicht bis zum Ausbruch des IV. Weltkriegs.

Natürlich denkt man heute an die fürchterliche Rede von Josef Goebbels im Berliner Sportpalast, am 18. Februar 1943, als er den 14.000 begeisterten Nazi-Zuhörern sein hysterisches „wollt ihr den totalen Krieg?“ zubrüllte. Immerhin, Goebbels fragte wenigstens noch (auch, wenn ein „Nein!“ keinerlei Folgen gehabt hätte). Heute entscheiden unsere Staatenlenker, die uns ansonsten permanent aufrufen, den Gürtel enger zu schnallen, über Milliardenzahlungen und Waffenlieferungen, ohne dass irgendjemand gefragt wird. Selbst die Grünen sind inzwischen so kriegsgeil, dass Kritiker, die daran erinnern, dass sich die Grünen einst unter anderem aus der Friedensbewegung heraus gegründet hatten, mit allen möglichen Schimpfwörtern in den Sozialen Netzwerken bedacht werden, von „Weicheier“ über „Nicht-Patrioten“ bis hin zu „Putin-Freunde“.

Nein, es wurden bei weitem nicht alle diplomatischen Kanäle ausgelotet, um beide Seiten an den Verhandlungstisch zu zwingen. Dazu wird es jetzt, nach 2 Jahres des Kriegs, auch kaum noch kommen. Putin hat die militärische Oberhand und damit kaum noch einen Grund zum Verhandeln und Selenskyi verfügt mit diesem Krieg über das beste Geschäftsmodell für ihn selbst und seine Machtclique – und folglich verspürt auch er wenig Lust zum Verhandeln. Also wird es auch keine Verhandlungen geben, es sei denn, beiden Seiten werden die finanziellen Möglichkeiten genommen, diesen Krieg weiter ungebremst auszudehnen.

Wie es weitergeht und wo es hinführt? Dorthin, wo die Entscheidungsträger das meiste Geld in die Tasche stecken können. Dem Westen ist die ukrainische Bevölkerung ebenso egal wie die Palestinenser der Hamas egal sind – beide werden bereitwillig geopfert, so lange die Kassen klingeln. Und so lautet die letzte Frage – werden die Menschen den Kriegstreibern genauso hinterherdackeln wie 1914 und 1939 oder wird es dieses Mal genug Stimmen geben, die laut und deutlich sagen, dass es reicht? Wahrscheinlicher ist allerdings die Variante 1914/1939. „Jeder Schuss ein Russ’“. Wie immer eben.

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