Yes, we could!

Dass unter dem Pflaster der Strand liegt, davon waren wir vor 36 Jahren überzeugt. Dass Sondereinheiten der Polizei am 5: März 1981 in Freiburg wüst eingriffen, konnte diesen Traum nicht beenden.

36 Jahre ist es her, dass 4000 Polizisten die Stadt Freiburg belagerten. Gewonnen haben sie am Ende doch nicht. Foto: Historischer Zeitungsausschnitt

(KL) – Was im März 1981 und den Wochen danach in Freiburg geschah, ist vielen noch in Erinnerung. Und das ist auch richtig so, denn die Ereignisse des März 1981 haben bis heute Auswirkungen auf das Leben in der Stadt Freiburg. Eine Jugendrevolte und ihre Folgen.

Wer heute durch das beschauliche südbadische Oberzentrum Freiburg flaniert, kommt nicht unbedingt auf die Idee, dass hier vor 36 Jahren Straßenschlachten zwischen Sonderheinheiten der Polizei und der Freiburger Jugend stattfanden. Auslöser war in der Nacht zum 5. März 1981 die polizeiliche Räumung des alternativen (und besetzten) Jugendzentrums Schwarzwaldhof an der Schwarzwaldstraße. Vorausgegangen war das, was als die „Scherbennacht“ in die Freiburger Geschichte einging, eine nächtliche Blitzdemonstration, bei der in knapp 20 Minuten die Schaufensterscheiben entlang der Einkaufsstraße Kaiser-Joseph-Straße zu Bruch gingen. Diese „Scherbennacht“ lieferte den Vorwand, den Schwarzwaldhof zu räumen.

Immerhin, die Räumung hätte so oder so stattgefunden, denn der damalige Ministerpräsident Lothar Späth hatte eine restriktive Parole angesichts der immer zahlreicher werdenden Hausbesetzungen in Freiburg und anderswo herausgegeben: „Keine Hausbesetzung darf länger als 24 Stunden geduldet werden!“ Und die 4000 SEK-Polizisten, die ab dem 4. März für zwei Wochen die Stadt belagern sollten, waren sicher nicht zusammengezogen worden, um das gerade erst besetzte Haus in der Wilhelmstraße 36 in Freiburg zu räumen – das übrigens trotz der Losung von Lothar Späth und des massiven Einsatzes der Polizei über sieben Jahre besetzt bleiben sollte…

Nach der Räumung des Schwarzwaldhofs stand die Stadt Kopf. Zwei Wochen lang gingen täglich zweimal bis zu 20.000 Menschen auf die Straße, um gegen die Räumung und auch das völlig überzogene Verhalten der Polizei zu protestieren. Es waren natürlich nicht nur Hausbesetzer, sondern die ganze Stadt, die sich gegen diesen Belagerungszustand wehrte. Die Bevölkerung solidarisierte sich mit ihrer Jugend und das Ergebnis dieses Einsatzes der Staatsmacht war am Ende das genaue Gegenteil dessen, was Stuttgart beabsichtigt hatte – die Freiburger Subkultur wurde durch den Versuch sie zu stoppen, erst richtig strukturiert.

Stadtteile wie Vauban, die Gretherfabrik im Grün, die Fabrik in der Habsburgerstraße, ein grüner Bürgermeister (der ebenso wie andere heutige Honoratioren der Stadt das eine oder andere Bier im Schwarzwaldhof getrunken hat), eine hoch lebendige alternative Kulturszene – all diese Dinge haben durch die Jugendbewegung 1981 überhaupt erst den Rückenwind erhalten, mit dem sie nachhaltig und bis heute überleben konnten.

Diese Jugendbewegung 1981, also zu einer Zeit, als es quer durch Europa brannte, von Amsterdam bis Berlin, von Zürich bis Mailand, von Brixton bis Freiburg, hat die Zeit seitdem stärker geprägt, als man das glaubt. In Freiburg, einer der europäischen Hochburgen dieser Jugendbewegung, zeigte sich der revolutionäre Geist eines Jos Fritz, der in Baden immer präsent war. Die Staatsmacht aus Stuttgart hatte, trotz ihres massiven Auftretens, keine Chance gegen die überwiegend friedlichen Demonstranten, deren Anliegen ein anderer Lebensstil war als derjenige, der von Staats wegen verordnet war. Und genau das hat sich Freiburg bis heute bewahrt. Ein Grund, am gestrigen 5. März wie jedes Jahr ein Gläschen Champagner auf den Schwarzwaldhof und „die guten alten Zeiten“ geleert zu haben…

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