Zensur, um „Fake News“ und Einflussnahme zu verhindern?

Die Reaktionen auf den Vorschlag der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Vera Jourova, die eine „europäische Medienaufsicht“ einrichten will, sind heftig. Was zu erwarten war.

Wollte maan diie Pressefreiheit wirklich fördern, so gibt es viele neue Medien, die das verdient hätten. Eine zentrale "Medienaufsicht" ist der falsche Weg. Foto: Thee-Movement-2000 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Seien wir ehrlich, das Vertrauen in die europäische Spitzenpolitik ist weg. Verloren. Aus. Vorbei. Das muss nun auch die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Vera Jourova feststellen, deren Vorschlag der Einrichtung einer „europäischen Medienaufsicht“ auf wenig Begeisterung stößt. Ziel ihres Projekts ist es, „Fake News“ im Internet zu unterbinden und die Einflussnahme auf Medien durch die Politik zu verhindern, doch ist das Ganze so unausgegoren, dass man in vielen Ländern jetzt eher den Vorschlag einer „europäischen Zensurbehörde“ vermutet, was angesichts der aktuellen politischen Entwicklung in Europa, mit einem scharfen Ruck ins nationalistisch-rechtsextreme Lager, keine besonders gute Idee ist. Denn ein solches Instrument in den falschen Händen wäre eine Katastrophe.

Der Vorschlag aus Brüssel kommt überraschend, denn die Medienaufssicht war noch nie die Aufgabe der europäischen Institutionen und die Befürchtung, dass künftig eine anonyme Stelle im Brüsseler Beamtensumpf entscheidet, was Medien publizieren dürfen und was nicht, sorgt für Bauchschmerzen. Weswegen der französische Europapolitiker Thierry Breton schnell erklärte, dass es darum ginge, „die Vielfalt zu gewährleisten und private oder öffentliche Medien vor Einmischung zu bewahren, da es in Europa keine ‘Propagandakanäle für Regierungen’ geben dürfe“. Plötzlich wird etwas klarer, was die Initiatoren dieses Projekts eigentlich beabsichtigen. Eine gute Idee ist es leider dennoch nicht.

Vera Jourova wurde etwas deutlicher und nannte die Beispiele Polen und Ungarn, wo die jeweiligen Regierungen mit Dingen wie „Pressefreiheit“ nicht viel anfangen können. Doch statt ganz Europa eine „Brüsseler Zensurbehörde“ aufs Auge zu drücken, würde es vielleicht mehr Sinn machen, die genannten Länder mit entsprechenden Maßnahmen zu belegen. Eine europaweite Zensur durch den anonymen Brüsseler Beamtenapparat ist dabei der falsche Weg.

Dazu muss man auch gar nicht so weit in den Osten schauen, auch im Westen sind Medien heute alles andere als unabhängig. So gehören in Frankreich die 40 größten Medien weniger als einem Dutzend Milliardäre, die enge Verbindungen zur Pariser Politik pflegen und letztlich nur noch begrenzt Journalismus, dafür aber jede Menge politischer und kommerzieller Kommunikation betreiben. Doch kann man nicht die Pressefreiheit befördern, indem man eine zentrale Zensurstelle einrichtet.

Auch, wenn das erklärte Ziel lautet, die Einflussnahme staatlicher Stellen auf die Medien einzugrenzen, so ist der vorgeschlagene Weg falsch und man sollte endlich damit aufhören, immer nur mit dem Finger in Richtung Osten zu zeigen, während bei uns im Westen genau die gleichen Mechanismen greifen, wobei der Unterschied nur noch in der Verpackung besteht.

Wollte man wirklich einen freien und unabhängigen Journalismus fördern und wachsen sehen, gäbe es dafür andere, einfachere Möglichkeiten. So wäre ja durchaus denkbar, den etablierten, große Medien nicht mehr Subventionen hinterher zu werfen, sondern neue und unabhängige Medien zu fördern, damit sich diese entwickeln und professionalisieren können. Aber so viel unabhängige Presse möchte man dann doch wieder nicht haben…

Irgendwann wird man sich auch in Europa die Frage stellen müssen, was für eine Medienlandschaft wir eigentlich wollen. Ist unabhängiger Journalismus ein Geschäftsmodell oder ein gesellschaftlicher und kultureller Wert? Doch diese Frage bleibt seit Jahren unbeantwortet. Gefördert werden die Mainstream-Medien und solche, die gute Beziehungen zu politischen Entscheidungsträgern pflegen (übrigens auf allen Ebenen, von lokal bis europäisch…). Allerdings ist es politisch ein gefundenes Fressen, Polen und Ungarn deren Angriffe auf die Pressefreiheit vorzuwerfen, gleichzeitig aber die westlichen Angriffe auf die Pressefreiheit unkommentiert durchgehen zu lassen.

Immerhin, je lauter die Kritik an diesem Vorhaben wird, desto mehr rudern die Initiatoren zurück und bekräftigen, dass die letzte Entscheidung natürlich immer bei den nationalen Medienaufsichten verbleibt. Nur – dann braucht auch niemand eine „europäische Zensurbehörde“. Lobenswert ist der Grundgedanke – Medien vor politischer und finanzieller Einflussnahme zu schützen. Dafür gäbe es eine Reihe sinnvoller Maßnahmen, die allerdings kein Politiker konkret angehen würde. Denn am Ende des Tages fahren sie in allen Ländern ziemlich gut in der Politik damit, dass sie Druck auf Medien ausüben und sich so ihre „politische Kommunikation“ sichern. Bleibt zu hoffen, dass dieser Vorschlag ein „Saure-Gurken-Thema“ bleibt und dass er nicht umgesetzt wird.

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