Ziemlich beste Freunde. Wirklich?

Heute ist der 22. Januar, der „Tag der deutsch-französischen Freundschaft“. Anlass für fette Büffets und salbungsvolle Reden – und einen realistischen Blick auf den „Motor Europas“.

Dort, wo die deutsch-französische Freundschaft greifbar wird, funktioniert sie toll. Anders sieht es zwischen Paris und Berlin aus... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der 22. Januar ist der „Tag der deutsch-französischen Freundschaft“ – denn am 22. Januar 1963 unterzeichneten General de Gaulle und Konrad Adenauer den Elysee-Vertrag, der fortan die Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen organisierte, was er in der Tat vortrefflich tat. Am 22. Januar 2019 wurde dann der „Aachener Vertrag“ unterzeichnet, eine Art Erweiterung des Elysee-Vertrags, der etliche neue Instrumente geschafft hat, mit denen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der europäischen Pilotregion zwischen Deutschland und Frankreich auf eine neue Ebene gebracht werden soll. Und wo stehen wir wirklich?

Beginnen wir unseren Blick auf die deutsch-französischen Beziehungen direkt in der Grenzregion. Hier werden öffentliche und private Projekte durchgeführt, hier arbeiten Wirtschaft, Verbände und Zivilgesellschaft hervorragend zusammen – man kann sagen, dass die deutsch-französischen Beziehungen dort, wo sich die Menschen tatsächlich begegnen und einen gemeinsamen Lebensraum teilen, hervorragend sind. Dort, wo man die Menschen machen lässt und idealerweise auch noch dabei unterstützt, funktioniert die Kooperation wirklich gut. Allerdings ist es auch ein Jahr nach dem „Aachener Vertrag“ noch nicht möglich, die neuen Instrumente der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wirklich zu nutzen. Aber vielleicht kommt das ja noch.

Anders sieht es aus, wenn man nach Paris und Berlin schaut. Seien wir ehrlich – Emmanuel Macron und Angela Merkel haben sich nicht viel zu sagen und man merkt in letzter Zeit immer deutlicher, dass es nicht einmal mehr eine echte gemeinsame Perspektive gibt, weder auf die deutsch-französischen Beziehungen, noch auf deren europäische Bedeutung. Der Umstand, dass beide zu den erklärten Europa-Befürwortern zählen, was immer wieder betont wird, ist eigentlich kein Scoop, sondern sollte angesichts der bewegten Geschichte zwischen beiden Ländern eine Selbstverständlichkeit sein. Aber warum hapert es zwischen Paris und Berlin?

Hierfür gibt es viele Gründe. Angela Merkel und Emmanuel Macron haben beide, auf unterschiedlichen Ebenen, enorme innenpolitische Probleme. Angela Merkel muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass in ihrer Regierungszeit die Rechtsextremen einen Riesenschritt gemacht haben und inzwischen die früheren Volksparteien in die seltsamsten Koalitionen treiben, um die neo-nationalistischen Kräfte noch von Regierungsbeteiligungen fernzuhalten. Emmanuel Macron versucht seit November 2018 die sozialen Unruhen in Frankreich auszusitzen, was ihm allerdings nicht sonderlich gut gelingt, im Gegenteil: Frankreich ist momentan eine Art Pulverfass, das jederzeit explodieren kann. Dazu balgen sich beide ziemlich offen um die Führerschaft in der Europäischen Union. Diese lag mal in den Händen von Angela Merkel, die gemeinsam mit Wolfgang Schäuble ganz Europa die deutsche Austerität aufs Auge drückte. Emmanuel Macron hingegen, ganz der Neoliberale, kann weder mit dem Begriff der „schwarzen Null“, noch mit Angela Merkel viel anfangen.

Dazu kommt, dass Frankreich und Deutschland momentan in den meisten Fragen unterschiedliche Positionen vertreten und Ziele haben. Emmanuel Macron hätte gerne ein Europa, das sich um eine starke Euro-Zone mit eigenem Budget entwickelt, Angela Merkel will das ganz und gar nicht. Frankreich sähe gerne ein stärkeres deutsches Engagement in seinen militärischen postkolonialen Aktionen, doch das will in Deutschland außer Annegret Kramp-Karrenbauer niemand. Einigkeit gibt es fast nur noch, wenn es darum geht, die Großindustrie zu stärken und Flüchtlinge aus Europa herauszuhalten. Doch das reicht nicht, um glaubwürdig den „Motor Europas“ darzustellen.

Direkt unterhalb der beiden Staats- und Regierungschefs würde man gerne mehr machen – das zeigt alleine schon der großartig formulierte „Aachener Vertrag“. Doch die Qualität einer Beziehung liegt nicht in den Rahmenbedingungen und in Absichtserklärungen, sondern in der Praxis. Und hier müssen Paris und Berlin lernen, dass man die Autorität über die deutsch-französischen Beziehungen abgeben muss – an die regionalen und lokalen Körperschaften, die über die Kompetenzen und Erfahrungen verfügen, den „Aachener Vertrag“ mit Leben zu füllen.

22. Januar 2020 – die Rahmenbedingungen für eine Intensivierung der deutsch-französischen Zusammenarbeit sind geschaffen. Jetzt fehlen nur noch die Politiker und Politikerinnen, die Willens und in der Lage sind, diese Bedingungen optimal zu nutzen. Aber vielleicht tauchen die ja in der nächsten Politiker-Generation auf…

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