Zittern mit SIG

Ja, es stimmt: schon über einen Monat stand in dieser Rubrik nichts Neues. Vielleicht auch, weil seither kaum etwas Erfreuliches zu berichten gewesen wäre, jedenfalls nicht von SIG Strasbourg - und nun auch noch diese historische Niederlage letzten Samstag...

Trainerlegende Vincent Collet hat gerade auch kein Patentrezept, um sein verunsichertes Team richtig einzustellen... Foto: (c) Eric Traversié / SIG Strasbourg

(Von Michael Magercord) – Was ist mit den Basketballern von SIG Strasbourg los? Was muss noch passieren, damit die Mannschaft über ein ganzes Spiel die Konzentration bewahrt? Auch der Trainer Vincent Collet scheint ein wenig ratlos über Unfähigkeit seiner Mannschaft, mit der schwiergen Situation umzugehen: „Ich müsste verrückt sein, wenn ich nicht beunruhigt wäre, und ich habe nicht erst heute Abend damit begonnen, es zu sein. Und doch bin ich es nun noch eine Stufe mehr.“

Die Liste der Niederlagen war schon lang, in den letzten acht Ligaspielen gab es nur einen Heimsieg. Der war nicht einmal besonders großartig, denn der wurde über die verletzungsgebeutelte Mannschaft aus Bourg-en-Bresse erzielt. Ansonsten hagelte es nur Pleiten, die schlimmste letzten Samstag in Pau: mit 41 Punkten Rückstand – die höchste Niederlage in der Karriere des Trainers.

Immerhin: es hat noch genügt, das Miniturnier der ersten Acht im Februar in Paris, den sogenannten Leaders Cup, zu erreichen. Auf europäischer Ebene aber wird es nun eng mit dem Erreichen des Achtelfinales der Champions League. Auch in diesem Wettbewerb blieb SIG Strasbourg in diesem Jahr noch komplett sieglos. Besonders schmerzlich waren die beiden Heimniederlagen gegen Besiktas Istanbul und Klaipeda aus Litauen.

Besiktas zeigte nicht nur, wie man siegt, sondern wie Fankultur geht. Fünfhundert angereiste – ausdrücklich nicht „mitgereiste“, denn sie kamen aus den umliegenden Ländern Europas, Berlin, Paris, der Schweiz – und lautstarke Unterstützer heizten ihrer Mannschaft ein. Und das ganz ohne die Hilfe eines Stadionsprechers. Sie fahren zu allen Sportereignissen, bei den Besiktas mittut, Fußball, Handball und eben auch Basketball. Was die fast ausschließlich jungen Männer antreibt? Emotionen, Gefühle und Testosteron? Und ein wenig Politik auch, denn Besiktas gilt in der Türkei als Mannschaft der Erdogan-Gegner. Staatsgründer und Laizist Atatürk ist als Fahne jedenfalls immer mit dabei, und die Frage nach der Funktion des Sports in Politik und Gesellschaft tut sich auf.

Doch sicher ist es nicht diese Frage, die die Mannschaft seither so sehr ins Grübeln brachte und für einen heftigen Streit unter den Spielern gesorgt hat. Sondern eher die nächste, völlig unnötige Heimniederlage gegen Klaipeda. Die fiel auch noch so hoch aus, dass im direkten Vergleich, der bei Punktgleichstand den Ausschlag für den Tabellenplatz gibt, die Litauer nun die Nase vorn haben.

Drei Schlüsselspieler sind beim Training vorige Woche aneinander geraten, mussten getrennt werden, um nicht aufeinander loszugehen. Die Vereinsführung sprach Rügen aus, und zum ersten Mal wird – wenn auch noch sehr leise – über die Zukunft des Trainerdenkmals Collet spekuliert. Sollte die Qualifikation für das Achtelfinale in der Champions League verpasst werden, werden die kritischen Stimmen wohl lauter werden. Noch aber stehen zwei Spiele aus, wobei allerdings das nächste Heimspiel am Dienstag gewonnen werden muss, will man die Finalchance wahren. Es geht gegen den souveränen Tabellenführer aus Italien, deren Mannschaft bereits qualifiziert ist – was aber auch ein schwacher Trost ist, denn Bologna will Platz Eins verteidigen, um einen leichteren Achtelfinalgegner zugelost zu bekommen.

Das letzte Spiel der Gruppenphase führt die Straßburger dann noch nach Oostende und damit zu der Mannschaft, die mit ihrem Auswärtssieg im Elsass den Beginn der schwarzen Serie von SIG einläutete. Die Flamen haben, seit deren kroatischer Trainer damals seine Methoden der Motivation offen darlegte, kein einziges Spiel mehr verloren.

Besonders gefordert sind nun auch die Fans. Vereinsliebe bedeutet nicht nur Jubeln, sondern  auch Zittern, und vielleicht auch zu lernen, trotz mancher Niederlage Haltung zu bewahren – und siehe: so mag schon die Antwort auf die Frage nach Funktion des Sports in der Gesellschaft gefunden sein.

SIG Strasbourg – Virtus Bologna
DI 29. Januar, 20.30 Uhr
Rhenushalle – Stadtteile Wacken
Infos und Tickets unter https://sigstrasbourg.fr/

Letztes Gruppenspiel in der Champions League:
DI, 6. Februar, 18.30 Uhr in Oostende/Belgien

Nächsten Heimspiele von SIG Strasbourg:
SA 2. Februar 20.00 Uhr – Cholet (Liga)
SA 2. März, 20.00 Uhr – Le Mans (Liga)

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