Zu gierig nach zu viel Macht?

Die europäischen Neonationalisten machen gerade alle den gleichen Fehler: sie sind zu gierig nach zu viel Macht und greifen im entscheidenden Moment daneben. Eigentlich eine gute Nachricht.

Und was wäre, wenn mitten in den Krisen die Vernunft zurück in die Köpfe käme? Foto: Taymazvalley / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Was haben Geerd Wilders, Matteo Salvini und Boris Johnson gemeinsam? Nicht nur, dass sie alle ihre jeweiligen Länder wieder „great“ machen wollen, als ob diese plötzlich geschrumpft wären, nicht nur, dass sie ein abgrundtiefer Hass auf alles verbindet, was irgendwie „fremd“ ist, nein, sie haben alle auch ein echtes Problem mit dem Timing. Die absolute Macht vor Augen, stürmen sie blind darauf los, in der Hoffnung, die Herrschaft über ihre jeweiligen Länder an sich zu reißen. Dass sie sich dabei verpokern, ist ein gutes Zeichen, dass trotz aller aktuellen Probleme unsere Demokratien besser funktionieren, als es auf den ersten Blick aussieht.

Geerd Wilders, der niederländische Ausländerhasser, der die EU als „Nazistaat“ bezeichnet und 2017 bei den niederländischen Parlamentswahlen mit seiner den trügerischen Namen „Partei der Freiheit“ (PVV) tragenden Partei zweitstärkste Kraft mit 20 Sitzen im niederländischen Parlament wurde, verpokerte sich 2019 bei der Europawahl. Nachdem seine auf Hass und Ausgrenzung und „Let’s make Holland great again“-Slogans basierende Kampagne 2017 gut funktioniert hatte, träumte er bereits vom großen Durchbruch seiner Partei bei der Europawahl im Mai 2019. Die nochmalige Verschärfung seines ohnehin schon heftigen politischen Diskurses brachte jedoch die gegenteilige Wirkung – mit 3,5 % der Stimmen konnte die PVV keinen einzigen Sitz im neuen Europäischen Parlament erringen und verliert Schritt für Schritt an politischer Bedeutung.

Matteo Salvini von der „Lega“ sprengte in Italien seine Koalition mit der linkspopulistischen Bewegung „M5S“, als die Umfragen darauf hindeuteten, dass er bei eventuellen Neuwahlen die Regierungsmacht übernehmen könnte. Doch der Rechtsextreme, der im Grunde mit den gleichen Aussagen wie Wilders antritt, hatte sich ebenfalls verkalkuliert – es bildet sich eine neue Regierung, in der die beteiligten Parteien einen wirklichen politischen Gegner ausgemacht haben: Salvini. Dieser flog daraufhin aus der Regierung und muss nun sein politisches Gift von der Oppositionsbank aus verspritzen. Da wollte jemand zu schnell zu viel und ließ sich von seiner eigenen, vermeintlichen Größe blenden.

Boris Johnson könnte nächste Woche das gleiche Schicksal ereilen, womit er immerhin einen neuen Rekord aufstellen könnte. Sollte das passieren, was sich gerade abzeichnet, nämlich ein erfolgreiches Misstrauensvotum des britischen Parlaments, dann wäre er der britische Premierminister, der den kürzesten Mietvertrag in der Downing Street 10 gehabt hätte. Sein Anschlag auf die britische Demokratie, der Missbrauch der Queen für seine finsteren Pläne, sein überzogener Nationalismus – könnten ihn dorthin befördern, wo er hingehört: in die politische Bedeutungslosigkeit. Zwar könnte er noch ein wenig herumtaktieren und seinen dann fälligen Rückzug etwas hinauszögern, doch politisch wäre er dann ebenso erledigt wie Theresa May.

Ist das der Anfang einer „Gegenbewegung“ gegen die „braune Welle“? Die Rückkehr zur demokratischen Vernunft? Die Erkenntnis, dass man Brandstifter nicht zum Feuerwehrhauptmann machen sollte?

Die nächsten Wochen und Monate werden es zeigen, doch es hat fast den Anschein, als reiche es der Mehrheit der Menschen inzwischen mit dieser ständigen Berieselung von Hassparolen, der Angstmache der Rechtsextremen und der schleichenden Vergiftung des Zusammenlebens in unseren Gesellschaften. Das allerdings wäre dann wirklich mal eine gute Nachricht – Europa wacht auf und stellt sich der „braunen Welle“ entgegen!

1 Kommentar zu Zu gierig nach zu viel Macht?

  1. Hoffen wir mal das Beste

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