Zucht und Ordnung
So sieht Zukunft aus – der französische Bildungsminister Jean-Michel Blanquer reformiert die Schule in Frankreich. Künftig soll es in den französischen Schulen zugehen wie in einem Schwarz-Weiß-Film aus den 50er Jahren.
(KL) – Mit drei Maßnahmen will der französische Bildungsminister Jean-Michel Blanquer die Ordnung in den französischen Schulen wiederherstellen, die zugegebenermaßen in vielen Schulen abhandengekommen ist. So soll es künftig Schuluniformen geben, das Prinzip der strikten religiösen Neutralität soll zum Tragen kommen und dazu werden Smartphones nicht mehr in der Schule geduldet. Doch diese leicht autoritär angehauchten Maßnahmen haben vor allem einen Zweck – die Aufmerksamkeit von der heftig kritisierten Zulassungsreform an Hochschulen abzulenken, dem „Parcoursup“, der momentan die Studenten zu Protesten auf die Straße treibt. Aber irgendwie fällt es noch schwer, diese Maßnahmen richtig einzuordnen.
Was die Schuluniformen anbelangt, ist die Absicht natürlich klar. Zwar gibt es hierzu keine Tradition in Frankreich, wo man in den 50er und 60er Jahren zwar Kittel in der Schule trug (die aber lediglich die Kleidung vor Tintenspritzern schützen sollten und keine Uniform im eigentlich Sinne waren), doch sind Schuluniformen in vielen anderen Ländern absolut üblich. Die Schuluniform soll soziale Ungleichheiten ebenen, doch bezweifeln Kritiker die Wirksamkeit dieser Maßnahme. Aber immerhin findet sie in der Bevölkerung Zustimmung – bei einer Abstimmung in der Pilotstadt Provins sprachen sich 62 % der Menschen für die Einführung von Schuluniformen aus.
Und so wird ab dem Beginn des neuen Schuljahres die Schuluniform in Provins im Rahmen eines Pilotprojekts getestet. Mit 145 € pro Uniform sind die Eltern dabei, wobei sich die Verwaltung beeilt zu erklären, dass sozial schwache Eltern die Uniformen bezuschusst bekommen. Dann findet die soziale Diskriminierung eben nicht mehr auf dem Schulhof, sondern auf dem Sozialamt an. Die Praxis wird zeigen, wie wirksam diese Maßnahme ist.
Man könnte argumentieren, dass es sinnvoller wäre, an den Ursachen der sozialen Spannungen zu arbeiten, statt sich lediglich um die Konsequenzen zu kümmern. Doch ist die Situation an vielen französischen Schulen so, dass man eingreifen will. Das mag gut und richtig sein, doch solange sich nichts an den Ursachen der sozialen Not ändert, wird es die gleichen Fehlentwicklungen weiter geben, immer und immer wieder.
Das Unterstreichen der Laizität in der Schule, ein in Frankreich sehr sensibles Thema, ist eine eindeutige Botschaft an die in Frankreich zahlenmäßig starke moslemische Gemeinschaft – der Ausdruck religiöser Überzeugungen hat in der Schule nichts zu suchen. Das gilt ebenso für das bayrische Kruzifix wie für den moslemischen Schleier. Das Konfliktpotential ist vorgezeichnet, zumal sich viele Moslems in diesem Zusammenhang an den Gedanken gewöhnen müssen, dass künftig die Religion zuhause bleiben muss. Was diese Community zum Teil bisher nicht für nötig hielt, sondern eher nach der Devise lebte „tolerant müssen nur die anderen sein – mir gegenüber“. Wie diese Maßnahme in der Praxis umgesetzt werden soll, ist noch nicht ganz klar. Keine Sonderessen mehr für spezifische Religionsgemeinschaften in der Schulkantine? Keine Sondererlaubnis mehr für moslemische Schülerinnen, in Vollverkleidung und damit sehr unhygienisch beim Schulschwimmen mitzumachen? Auch hier wird man sehen müssen, wie das in der Praxis aussieht.
Keine Smartphones mehr in der Schule? Man versteht zwar, was der Minister damit bezwecken will, doch klingt das irgendwie reichlich realitätsfremd. Für Schüler ist heute das Smartphone kein technisches Gerät, sondern fester Bestandteil ihres Lebens. Und in einer Zeit, in der Schulen systematisch Tablets und anderes technisches Gerät im Unterricht einsetzen, ist es einfach wirklichkeitsfremd, das Smartphone aus der Schule zu verbannen. Dazu ist diese Maßnahme schon etwas populistisch. Denn in der Praxis haben die französischen Schulleiter bereits seit 2015 die Möglichkeit, die Verwendung von Smartphones in der Schule zu verbieten oder eben zu gestatten.
Ist es das vage Streben nach der „guten, alten Zeit“? So verständlich das auch wäre, doch diese Zeit ist vorbei und wenn man ehrlich ist, sooo gut war sie am Ende auch nicht. Es handelt sich also um ein Maßnahmenpaket, das dort ansetzt, wo Präsident Macron seine Politik ansiedelt – in der medienwirksamen Kommunikation, in der Vermittlung des Gefühls, die Regierung würde nun den Taugenichtsen an den Kragen gehen. „Wurde aber auch Zeit!“, tönt es vom Stammtisch. Dabei spürt man den Wunsch, den Franzosen mitzuteilen, dass es gar nicht so viele Taugenichtse in Frankreich gibt. Doch wer den Menschen über Monate und Jahre einbläut, dass es ihnen furchtbar schlecht geht, weil sie für Heerscharen arbeitsscheuer Nichtstuer aufkommen müssen, der wird damit irgendwann Gehör finden. Und ohne, dass es jemand richtig merkt, schafft man gerade die Grundlagen für eine Art Gleichschaltung der Gesellschaft. Die großen Medien sind fest in der Hand großer Kapitalgruppen und verbreiten brav und unisono das Hohelied des Retters der Franzosen, individuelle Freiheiten werden Schritt für Schritt abgebaut, die Überwachung ist allgegenwärtig und nun eben Schuluniformen. Mag sein, dass die seit etwas mehr als einem Jahr amtierende Regierung mit diesen Reformen Erfolg hat. Aber es kann auch sein, dass diese Formatierung der französischen Gesellschaft am Ende zum Bumerang wird. Wir werden es erleben. Als erstes in Provins. Ab Oktober 2018. Na dann.
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