Zugfahren durch die Nacht

Der Wiederaufstieg der Nachtzüge – ein Trend, den Straßburg nicht verschlafen darf.

Straßburg sollte sich als Drehkreuz eines europäischen Nachtzugnetzes positionieren. Foto: calflier001 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(Von Karl-Friedrich Bopp) – Im Rahmen der Diskussion um den Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg wird immer wieder die Notwendigkeit genannt, dass die Stadt mit dem Flugzeug erreicht werden kann. Das Bestehen, wenn nicht sogar der Ausbau des Flughafens, seien absolut notwendig. Ohne diese Möglichkeit seien die Aussichten, die europäischen Parlamentarier wieder nach Straßburg zu locken, schwierig. Wirklich? Durch den Ausbau der Nachtzüge könnte eine echte und sogar umweltfreundliche Alternative geschaffen werden.

Zur Erinnerung: Schon eine einzige Flugreise setzt mehr Kohlendioxid frei als alle anderen Aktivitäten, die wir so in einem Jahr tätigen. Eine mögliche Alternative wäre also der Ausbau der Nachtzüge. Nur, sowohl die französische SNCF als auch die Deutsche Bahn haben diesen klimaschonenden Service über die Jahre zunehmend eingestellt.

Der letzte Nachtzug, der von Straßburg aus losfuhr, verließ das Gleis am 30. September 2016 um 20h11, um am nächsten Morgen in Nizza an der herrlichen Mittelmeerküste anzukommen. Seitdem hält in Straßburg nur noch der Zug Moskau-Paris, und diese Verbindung wird von einer russischen Firma betrieben.

Aber es gibt nicht nur ökologische Gründe, auch sonst bietet der Nachtzug Vorteile. Wer zum Beispiel mehr als 750 km zurücklegen muss und am nächsten Morgen ankommen will, spart die Kosten für das Hotel und zusätzlich ist es möglich, den ganzen nächstfolgenden Tag am Zielort zu verbringen. Resultat: In Ländern wie den Niederlanden, Österreich und Schweden werden die Nachtzugnetze bereits wiederbelebt oder modernisiert.

Die neuen geschäftlichen Möglichkeiten haben als eine der ersten die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) erkannt. Sie sahen die klaffende Marktlücke und stiegen offensiv in das Nachtzuggeschäft ein. Die Terminologie ist modern, man spricht von „Nightjets“. Anfang 2022 sollen dreizehn neue Nightjet-Züge mit modernstem Design und hohem Komfort an den Start gehen. Die Nachfrage sei weiterhin steigend.

Der Erfolg der ÖBB erweckt auch wieder das Interesse der Deutschen Bahn. Sie sieht bereits generell den Trend vom klimaschädlichen Geschäftstrip mit dem Flugzeug hin zur gemütlichen Nachtreise voraus. Man stellt bereits ein europäisches Nachtzugkonzept in Aussicht, in dem die SNCF und auch die italienische Trenitalia mit einbezogen werden könnten. Verbindungen von München, Berlin und Hamburg nach Paris wären bestimmt wirtschaftlich erfolgreich zu betreiben.

Und was besonders nennenswert ist, das politische Umfeld kommt den Zugbetreibern entgegen. Größere Firmen und Organisationen beginnen ihren Angestellten nahezulegen, bei Reisen unter 1000 km Entfernung auf das Fliegen zu verzichten. Neben dem Klima profitiert man aber auch selbst. Am Abend kann man noch mit der Familie essen, steigt danach in den Nachtzug und wacht ausgeruht am Zielort auf.

In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts galten auch Verkehrsträger wie Fahrrad und Straßenbahn schon einmal obsolet. Dem Wiederbeleben der Nachtzüge sollte daher absolute Priorität eingeräumt werden. Straßburg sollte sich in dieser Entwicklung als Drehkreuz von Nord- nach Südeuropa und von West- nach Osteuropa profilieren.

Dem Klimawandel entgegentreten und gleichzeitig den Status als europäische Hauptstadt vorantreiben, das muss das Ziel der politisch Verantwortlichen in Straßburg sein.

1 Kommentar zu Zugfahren durch die Nacht

  1. BLOGSPIRIT alexis-lehmann.blogspirit.com // 5. Oktober 2020 um 8:54 // Antworten

    Lieber Karl Friedrich

    Das ist eine hervorragende Idee für Strassburg Ich hoffe sehr das die SNCF sich anschliessen kann
    Freundliche Grüsse , Alexis

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