Zum Erfolg verdammt

Beim heute in Toulouse stattfindenden deutsch-französischen Ministerrat stehen Emmanuel Macron und Angela Merkel unter Erfolgsdruck. Mehr denn je.

Viel Zeit zum Reden bleibt nicht - Angela Merkel und Emmanuel Macron müssen nun liefern. Foto: Presidential Administration of Ukraine / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Wohl selten fand ein deutsch-französischer Ministerrat unter größerem Druck statt als heute in Toulouse. Normalerweise sind diese Treffen eher entspannt, die Regierungschefs kommen mit ein paar ihrer Minister, es gibt ein Rahmenprogramm, ein wenig Kultur, ein wenig gutes Essen, eine freundliche Abschlusserklärung und das war’s. In Toulouse wird es ganz anders ablaufen müssen, wollen Paris und Berlin in Europa retten, was zu retten ist. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem das Verhältnis zwischen beiden Ländern eher als kühl zu bezeichnen ist.

Gerade erst hatte Emmanuel Macron die Ablehnung seiner Kandidatin Sylvie Goulard für den Posten der EU-Kommissarin für den Binnenmarkt genervt, da er (warum eigentlich?) Ursula von der Leyen für die Ablehnung Goulards verantwortlich machte, gerade erst hatte Macron Angela Merkel beim G7-Gipfel die Rolle des „Europa-Chefs“ abgenommen – es gab schon Zeiten, zu denen die Verständigung zwischen Paris und Berlin entspannter war. Doch all diese Überlegungen dürfen heute in Toulouse keine Rolle spielen. Denn ab sofort geht es in Europa ums Eingemachte.

So trafen sich Macron und Merkel auch am letzten Wochenende, um diesen deutsch-französischen Ministerrat vorzubereiten. Die Erkenntnis bei beiden Regierungen ist klar – wenn wir uns als „europäischer Motor“ nicht zusammenraufen und eine gemeinsame Linie präsentieren, bricht Europa auseinander.

Damit das nicht passiert, haben sich beide Seiten ihre Tagesordnung vollgepackt, dass man Zweifel haben muss, dass wirklich alle Punkte angesprochen werden können. Thema Nummer 1 ist, natürlich, der Brexit, der auch Gegenstand des bereits am Folgetag beginnenden EU-Gipfels zu diesem leidigen Thema ist. Merkel und Macron müssen eine gemeinsame Linie finden, wie ab dem nächsten Tag mit Boris Johnson und dem „Hard Brexit“ zu verfahren ist. Lässt man sich die Briten nun ins Schwert stürzen oder will man doch noch eine Fristverlängerung über den 31. Oktober hinaus ins Auge fassen (die übrigens weder die EU, noch Boris Johnson wollen)?

Doch das ist bei weitem nicht das einzige Thema für diesen deutsch-französischen Ministerrat, der sich offenbar zum Ziel gesetzt hat, alle aktuellen Krisen auf einmal zu lösen. So stehen ebenfalls auf der Tagesordnung: die Syrien-Krise nach der türkischen Invasion, der Klimawandel, der Kampf gegen den Terrorismus (beide Länder wurden in den letzten Tagen erneut von Terroranschlägen erschüttert), das „Normandie-Format“ und die Befriedung der Situation in der Ukraine, das Atom-Abkommen mit dem Iran – da fragt man sich, wie diese Themenfülle behandelt werden soll.

Immerhin, Emmanuel Macron und Angela Merkel haben verstanden, dass sie jetzt gemeinsam liefern müssen und dass keiner von beiden alleine in dieser Situation die europäischen Zügel in die Hand nehmen kann. So sagte der französische Präsident beim Vorbereitungstreffen auch, dass man jetzt keine Zeit für Befindlichkeiten habe, was eine deutliche Ansage war, dass er die „Causa Goulard“ nicht auf den Tisch bringen will. Abgesehen davon gibt es gar keine „Causa Goulard“ – die Kandidatin, die aufgrund von Affären nach nur vier Wochen von ihrem Posten als Verteidigungsministerin zurücktreten musste, war in dieser Situation einfach nicht für den Posten einer EU-Kommissarin geeignet und das Problem dabei war nicht Ursula von der Leyen, sondern die schlechte Kandidatenauswahl des französischen Präsidenten. Aber dies wird heute in Toulouse kein Thema sein.

Es wäre bereits ein großer Erfolg für diesen deutsch-französischen Ministerrat in Toulouse, würden sich beide Regierungen auf eine starke, gemeinsame Linie zum Thema Brexit verständigen könnten. Und vielleicht auch auf eine gemeinsame Position gegenüber dem türkischen Kriegsherrn Erdogan, auf den die EU ebenfalls gemeinsam reagieren sollte. Wie erfolgreich dieser deutsch-französische Ministerrat tatsächlich sein wird, wird man bereits in den beiden darauf folgenden Tagen in Brüssel sehen können, wenn es darum gehen wird, Europa halbwegs in der Spur zu halten. Es kommen schwierige Tage auf Emmanuel Macron und Angela Merkel zu…

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