Zurück im Orbit des Konzertsaals – Saisonauftakt der OPS
„Die Planeten“ ziehen ihre Bahnen auf Erden – und zwar am 5. September im Palast der Musik, wenn darin die Orchestersuite von Gustav Holst erklingt. Die Straßburger Philharmoniker spielen zudem noch das 1. Klavierkonzert von Tschaikowski.
(Michael Magercord) – „Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unsere Neun Planeten“. Hinter diesem schlichten Satz verbirgt sich unser Sonnensystem: Merkur Venus Erde Mars Jupiter Saturn Uranus Neptun Pluto. In diese Abfolge reihen sich die strahlungsfreien Planeten um ihren wärmenden Fixstern, unsere liebe Sonne. Als allerdings 1918 der englische Komponist und seinerzeit ziemlich engagierte Hobby-Astrologe Gustav Holst den „Planeten“ seine nach vielen Jahren fertiggestellte Orchestersuite widmete, bestand sie nur aus sieben Sätzen. Denn der neunte Planet Pluto wurde erst gut fünfzehn Jahre später im All gesichtet. Und sein eigener Standortplanet Erde spielt auf seinen horoskopischen Sternenkarten keine Rolle.
Gustav Holst war ein vielseitig interessierter Zeitgenosse, will man im Universum seiner Suite verbleiben, könnte man sagen, dass er lange nach seinem Planeten gesucht hatte. Sanskrit, Sozialismus und schließlich das Komponieren waren seine Passionen. Geschichten aus der bunten hinduistischen Götterwelt wurden Thema seiner ersten Opern, von denen erst die dritte ihren Weg auf eine Londoner Bühne schaffte.
Schnell kam eine weitere Passion hinzu: die Astrologie und damit die nahen Tiefen des Weltalls. In seiner Suite maß er jedem der sieben Planeten eine Eigenschaft zu, die ihren Namensgebern aus der römischen Götterwelt entsprach. Nach ersten Aufführungen wurde das Werk schnell im ganzen britischen Königreich populär, was nicht zuletzt der Zugänglichkeit seiner Musik geschuldet ist.
Die wiederum ist einem Umstand zu verdanken, den man zumindest in musikgeschichtlicher Hinsicht als very british bezeichnen darf. Denn seinerzeit wollten sich die englischen Komponisten endlich von den allzu deutschen Vorbildern lösen. Auch Gustav Holst bezeichnete seine Frühwerke noch als das „gute alte Wagnergetöse“. Einen Ausweg meinte man in der Wiederentdeckung und Nutzung des Volksliedes finden zu können, wie es zuvor in Russland oder Böhmen gelang. Doch in der rauen industriellen Wirklichkeit des Manchesterkapitalismus fanden die alten, ländlichen Weisen kaum noch Widerhall.
Somit sollten kompositorische Mittel den Unterschied machen, und für Holst wurde es der Kunstgriff des Ostinato, also der stetigen Wiederholung einer melodischen oder rhythmischen Grundfigur aus wenigen Noten und Takten. Diese Technik lebt bis heute fort im Jazz als Vamp, im Rock als Riff und in der Elektronik als Loop. Über dieses wiederkehrende Klangmuster wird dann die eigentliche Musik gelegt, was in der Orchestermusik zu monumentalen und hypnotisierenden Effekten führt – und was passt schon besser in den Weltraum!
Als auf Erden der erste Weltkrieg ausbrach, komponierte er gerade am Planeten Mars, den Kriegsgott unter den Himmelskörpern. Einmal im Schwung, wollte er sich umgehend freiwillig an die Front melden. Doch sein Augenlicht war den Musterungsärzten fürs Kämpfen in einem richtigen Krieg zu kurzsichtig. Das Ende der Arbeit an der Orchestersuite wiederum fiel mit dem Ende des Weltkrieges zusammen. Nun wollte er nur die sinnlosen Schrecken, die Krieg in der Wirklichkeit bedeuten, bewältigen. Er hatte sich zum Pazifisten gemausert und wandte sich mit der „Ode to Death“ ab sofort religiösen Motiven zu.
„The Planets“ blieb allerdings sein populärstes Stück, vor allem auf dem Planeten England. Aber auch für die Komponisten von cineastischer Musik wurde das Werk stilbildend, und Teile davon fanden Verwendung in Filmen von Batman bis zum ARD-Tatort „Im Schmerz geboren“. Und vor zehn Jahren hatte sich der französische Komponist Clément Mepas daran gemacht, den Planeten den achten Satz hinzuzufügen: „Erde: Lebensbringerin“.
Ob das allerdings vom Urkomponisten so gemeint war: die Erde als ein Planet unter Planeten? Die Reihenfolge der Sätze seiner Suite entspricht nicht ihrer Entfernung zur Sonne, sondern zur Erde. Denn die Erde ist für den menschlichen Beobachter nun einmal der Mittelpunkt des Sonnensystems. Dass sie von ihren eigenen Bewohnern in eine Randposition gedrängt wurde, lag daran, dass sich von dort aus all die Bahnen der anderen Planeten leichter berechnen und vorhersagen ließen. Vielleicht aber werden wir unseren Planeten A mit den zukünftigen gewaltigen Rechnerkapazitäten wieder ins Zentrum des Universums rechnen können. Bis dahin hilft uns zur Rückkehr in Zentrum die Musik von Gustav Holst.
Und ach ja, wo bleibt schließlich der neunte Planet? Pluto, der erst 1930 entdeckt wurde, ist 2006 von gewissenhaften Astronomen auf Erden der Status als Planet schon wieder aberkannt worden. Zwergplanet nur noch, zu mickrig, um als ernstzunehmender Mitspieler im Sonnensystem zu gelten. Aber dem Himmelskörper dürfte es egal sein, wie die Erdlinge ihn titulieren. Pluto wird wie alle acht anderen Planeten auch in seinem Orbit weiterhin um die Sonne ziehen, eine Runde in 248 Erdjahren, und zwar solange, bis in circa zwei Milliarden Jahren die Sonne explodieren wird.
Wen das schon jetzt in Angst und Schrecken versetzt, sollte die Zeit noch nutzen, sich am bestehenden Sonnensystem im Konzertsaal zu erfreuen, und wer weiß, vielleicht tut ja paradoxerweise der Ausflug in die unbekannten Tiefen des Weltalls gut, relativiert er doch so manche Wirrheit und Widrigkeit auf dem vom Pluto aus betrachtet auch nicht gerade allzu großen, wenn auch ziemlich verrückten Planeten Erde.
Um im Universum des Konzertsaals das Programm des ersten Abends der neuen Saison perfekt zu machen, geht der Planetensuite am Donnerstag in Straßburgs Palais de la Musique et des Congrès das 1. Klavierkonzert und gleichsam bekannteste Orchesterwerk von Tschaikowski voran – ein galaktischer Ausflug in den konzertanten Tastenkosmos eines Fixsterns am Musikhimmel.
Konzert der Straßburger Philharmonie OPS
Tschaikowski – 1. Klavierkonzert
Gustav Holst – Orchestersuite „Die Planeten“
Dirgent: Aziz Shokhakimov
Klavier: Bezhod Abduraimov
Palais de la Musique et des Congrès
DO 5. September, 20 Uhr
Infos und Tickets gibt es HIER!
Konferenz vor dem Konzert (auf Französisch)
Tom Heinrich darüber, wie Gustav Holst mit seinen „Planeten“ auf der Suche nach seinem Leitstern war.
19 Uhr im Marie-Jaëll-Saal im PMC, Eintritt frei
Die beiden folgenden Konzerte der OPS im PMC:
5. Symphonie von Sergej Prokofjew und dem Bolero von Maurice Ravel – FR 4. Oktober
Kodaly, Chatchaturian und die 8. Symphonie von Antonin Dvorak – DO 10. und FR 11. Oktober
Das komplette Programm der Saison findet sich HIER!
Und nun noch ein Hinweis für Hartgesottene:
Der „Tatort“, der die Musik von Gustav Holst verwendet wird, war jener mit den meisten Leichen der gesamten Krimiserie. Wer den Mut hat, trotzdem reinzuschauen und die Musik von Mars und Uranus zu genießen, während Kommissar Murot unter heftigstem Feuerwaffeneinsatz die Bande seines Jugendfreundes zur Strecke bringt, der muss nur einmal abdrücken, Pardon: klicken natürlich nur, und zwar HIER!
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