Zurück ins Klassenzimmer?
Die Abgeordnete, frühere Ministerin und Präsidentin des Departements Haut-Rhin Brigitte Klinkert, macht ein großzügiges Angebot. Aber macht das auch Sinn?

(KL) – Am Oberrhein und speziell im Elsass ist jedem klar, dass die Zweisprachigkeit ein ganz wichtiges Element für das Zusammenleben in der Region und das Zusammenwachsen Europas ist. Daher gibt es zahlreiche zweisprachige Ausbildungsgänge, bis hin zum AbiBac, dem zweisprachigen Abitur, das in beiden Ländern anerkannt wird. Doch im Elsass gibt es ein Problem – es gibt kaum Lehrer, die in der Lage sind, Unterricht auf Deutsch zu geben. Und hier will die Abgeordnete Brigitte Klinkert persönlich einspringen. Dabei wäre vielleicht andere Maßnahmen sinnvoller…
In der 4. Klasse (nach französischem Zählsystem) der Molière-Schule in Colmar wird bereits seit November im zweisprachigen Zug nicht mehr auf Deutsch unterrichtet – es gibt kein entsprechendes Lehrpersonal. Damit das nicht so weitergeht, bietet Brigitte Klinkert an, höchstpersönlich zwei Stunden Deutschunterricht pro Woche in dieser Klasse zu geben. Das ist aller Ehren wert, doch könnte Brigitte Klinkert wesentlich Sinnvolleres für den Deutschunterricht im Elsass tun.
Das ist zwar sicherlich eine nette Geste von Brigitte Klinkert, doch die Probleme in der zweisprachigen Schulausbildung sind struktureller Natur. Angesichts des Umstands, dass ein Lehrer in Frankreich nur rund die Hälfte dessen verdient, was in Deutschland bezahlt wird, ist es kein Wunder, dass es nur wenige deutsche Lehrer ins Elsass zieht. Doch wenn der Unterricht auf Deutsch von französischen Lehrkräften bestritten wird, dann ist das keine wirklich zweisprachige Ausbildung mehr, sondern eher eine „anderthalbsprachige“ Ausbildung. Da aber die französische Schulbehörde, die Education Nationale, keine Mittel zur Verfügung hat, um höhere Gehälter zu zahlen, nützt es wenig, wenn eine französische Abgeordnete zwei Stunden pro Woche Deutsch unterrichtet – es müsste ein Sonderfonds gebildet werden, über den in Grenzregionen bessere Gehälter gezahlt werden können.
Und da wäre es sinnvoller, wenn Brigitte Klinkert, die als ehemalige Ministerin alle erforderlichen Kontakte in Paris hat, dort jede Woche zwei Stunden Lobbyarbeit in der Nationalversammlung und den zuständigen Ministerien betreiben würde, damit an diesen strukturellen Problemen etwas geändert werden kann.
Dass die Abgeordnete guten Willens ist, bestreitet niemand – Brigitte Klinkert engagiert sich seit Jahren sehr ernsthaft für die deutsch-französische Zusammenarbeit und es wäre zielführender, dieses Thema in die „Deutsch-französische Parlamentarische Versammlung“ einzubringen, in der jeweils 50 Abgeordnete aus Frankreich und aus Deutschland sitzen, deren Aufgabe es ist, die deutsch-französische Zusammenarbeit voranzubringen. Leider hat man von diesem Parlament bisher noch nicht viel gehört – da wäre es doch eine gute Sache, würde man sich hier dafür stark machen, neue Wege für die zweisprachige Ausbildung zu suchen und zu finden.
Zwei- und Mehrsprachigkeit ist kein Luxus für die Kinder reicher Eltern, sondern ein zentrales Element der europäischen Integration, die permanent von allen Seiten gefordert wird. Zur Erinnerung – in Europa leben 35 % der Bevölkerungen in Grenzregionen und ein Thema, das jeden dritten Europäer betrifft, sollte man ernstnehmen.
Wo Brigitte Klinkert unbedingt Recht hat, ist die Medienwirksamkeit ihres Vorschlags. Denn ansonsten spricht niemand über die Probleme der zweisprachigen Züge in den Schulen. Doch sollte es nicht dabei bleiben – zumal der Aachener Vertrag durchaus die Möglichkeit bietet, in diesem Bereich aktiv zu werden. Die Problematik der Molière-Schule in Colmar ist keine pädagogische Problematik, sondern ein politisches Thema, das auch auf der politischen Ebene gelöst werden könnte. Man darf gespannt sein, ob sich auf der Grundlage des Angebots von Brigitte Klinkert etwas bewegt.
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