Zurück ins Mittelalter…

Eine französische Studie zeigt, dass die Zeiten von „oben ohne“ am Strand vorbei sind. Grund dafür sind in mehr als der Hälfte der Fälle Aggressionen, sexuelle Anzüglichkeiten und despektierliche Kommentare.

Nur noch 19 % der Französinnen trauen sich, am Strand nahtlos zu bräunen. Foto: Niabot / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Wir leben in wirklich seltsamen Zeiten. Seit den 60er Jahren setzte sich langsam, aber sicher, das Strandleben „oben ohne“ durch. Das nahtlose Bräunen war damals ein Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins der Frauen, die keine Lust mehr verspürten, sich am Strand in ihrer Weiblichkeit zu verstecken. 1984 praktizierten 43 % der Frauen am Strand „oben ohne“ und noch 2009, so die Umfrage von „IFOP/Xcams Media“, legten 34 % der Frauen am Strand das Bikinioberteil ab – heute sind es gerade noch 19 % und viele Frauen berichten von höchst unangenehmen Erfahrungen, die sie zur „neuen Prüderie“ veranlassen. Dies ist eine Entwicklung, die ein Spiegel einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung ist. Während wir uns alle Sorgen um die Rechte der Frauen in Afghanistan und anderen Ländern machen, ist auch die Selbstbestimmung der Frauen in Europa in Gefahr.

Es ist schon seltsam, dass es in Europa im Jahr 2021 wieder an etlichen Stränden Strafzettel für „oben ohne“ gibt, gleichzeitig aber Schwimmbadtage im unhygienischen „Burkini“ durchgesetzt werden. Offenbar wird es inzwischen als « normal » betrachtet, dass Frauen, die am Strand nahtlos bräunen, entweder als „sexuelles Freiwild“ betrachtet oder gleich offen als „Nutten“ und ähnliches tituliert werden. Und das ist nicht hinnehmbar. Gleichzeitig versteht man natürlich die Frauen, die keine Lust verspüren, am Strand Gegenstand solcher Aggressionen und Beleidigungen zu werden und sich entspechend „sittsame“ Bademoden aussuchen.

Fast die Hälfte (49 %) der befragten Französinnen berichtet von sexuellen Übergriffen beim nahtlosen Bräunen. Die Studie kommt zum Schluss, dass „Frauen den Strand weniger frei erleben als Männer“ und das macht nachdenklich. Was ist passiert, dass sich Frauen am Strand nicht mehr frei bewegen können?

Ein weiterer Grund für den Verzicht auf nahtloses Bräunen sind die Smartphones. Viele Frauen (46 %) gaben in der Umfrage an, dass sie befürchten, Smartphone-Fotos von sich in den sozialen Netzwerken zu finden. Ebenso belastend sind für die Frauen (30 %) beleidigende Bemerkungen über ihren Körper. Etliche der Befragten (29 %) gaben ebenfalls an, negative Folgen für die Haut zu befürchten, doch ist eindeutig der Hauptgrund für den Verzicht auf „oben ohne“ das Verhalten der Männer.

Wir leben in einer Zeit, in der Stück für Stück Freiheiten abgeschafft werden, Selbstzensur zur Normalität wird und Dinge akzeptiert werden, die nicht akzeptabel sind. An den Stränden und in den Parks sollte es nicht Aufgabe der Polizei sein, nahtlos bräunende Frauen zu verfolgen und ihnen Strafzettel zu verpassen, sondern es wäre Aufgabe der Polizei, sabbernden Männern Einhalt zu gebieten und diesen Strafzettel auszustellen. Doch ist heute „normal“, was stillschweigend und aus Angst geduldet wird und diese „Normalität“ verwandelt sich dann irgendwann in eine kulturelle Norm. Aber ist es wirklich ein Fortschritt, wenn Frauen aus Angst vor Übergriffen längst gewonnene und erkämpfte Freiheiten aufgeben müssen?

Sie können unter DIESEM LINK die komplette Studie (in französischer Sprache) downloaden. Die Studie IFOP für Xcams Media wurde per Online-Fragebogen am 7. und 8. Juli 2021 unter Teilnahme von 1.500 Frauen durchgeführt, die repräsentativ für die weibliche Bevölkerung Frankreichs im Alter von 18 Jahren und darüber ist.

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