Zwei Parlamente – aber nicht das gleiche Virus?

Im Bundestag und in der Assemblée Nationale herrschen völlig unterschiedliche Covid-Regeln. 2G+ im Bundestag und – überhaupt keine Regeln in der Assemblée Nationale.

Die Assemblée Nationale scheint sich kraft Amtes vor Covid geschützt zu fühlen... Foto: Pol at French Wikipedia / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Wie viele Senatoren und Abgeordnete der positiv getestete französische Gesundheitsminister Olivier Véran in den letzten Tagen bei seinen Auftritten in Parlament und Senat angesteckt hat, kann man nur erahnen. Dass es die französischen Abgeordneten offenbar für eine Zumutung halten, den gleichen Covid-Restriktionen unterworfen zu werden wie der gemeine Plebs, zeigt einmal mehr das realitätsfremde und neofeudale Selbstverständnis der französischen Politik. Und während eine Lawine der Häme über den französischen Gesundheitsminister hereinbricht, werden im Bundestag die querdenkenden AfD-Abgeordneten kurzerhand vor die Tür gesetzt. Denn anders als in Frankreich herrscht im Bundestag das Format 2G+. Denn offenbar halten sich deutsche Abgeordnete nicht für unverwundbare Supermänner.

Der erste AfD-Abgeordnete, dem im Auswärtigen Ausschuss der Stuhl vor die Tür gestellt wurde, ist Joachim Wundrak, der selbst sagt, dass er weder geimpft, noch genesen ist. Und überhaupt, der Mann hält die ganzen Maßnahmen für „überzogen“. Nachdem ihm der Vorsitzende des Ausschusses, der frühere Europaminister Michael Roth erklärt hatte, dass er dann eben nicht an der Sitzung teilnehmen könne, verließ Wundrak „unter Protest“ den Saal.

Letztlich ist es auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. – In allen Ländern erdulden die Menschen seit zwei Jahren teilweise abstruse Einschränkungen ihres täglichen Lebens – dass sich der Bundestag dieselben Regeln auferlegt wie dem Rest der Bevölkerung, das sorgt für Vertrauen. Dass in Frankreich die einzige Bevölkerungsgruppe, für die offenbar keinerlei Regeln gelten, die Abgeordneten sind, das schafft abgrundtiefes Mißtrauen und die Tatsache, dass in den letzten Monaten Präsident, Premierminister und jetzt der Gesundheitsminister positiv getestet wurden, das sie bei ihren zahlreichen Terminen nur dann die sanitären Maßnahmen respektiert haben, wenn Kameras in der Nähe waren, das schürt das Gefühl, dass die Kaste der Mächtigen dem Volk Maßnahmen verordnet, die sie nicht im Traum für sich selbst akzeptiert.

Warum in einem Parlament strenge Covid-Regeln herrschen, im anderen aber nicht, ist nur schwer erklärbar. Von Abgeordneten zu verlangen, sich ebenso verantwortungsvoll wie die Bevölkerung zu verhalten, das ist kein „Anschlag auf die Ddemokratie“, wie es der eine oder andere Abgeordnete behauptet, sondern sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

Doch das Problem des „tut, was ich euch sage, aber tut nicht, was ich selber tue“ existiert nicht nur in Frankreich, sondern in vielen Ländern. In Großbritannien steht Regierungschef Boris Johnson aufgrund seiner Garten-Partys während des Lockdowns der Briten massiv unter Druck. Und in das gleiche Kapitel fällt auch die „Akte Djokovic“. Die Reichen und Mächtigen halten es offenbar für ihr gutes Recht, sich über die Regeln hinwegzusetzen, die für alle anderen gelten.

Die Assemblée Nationale wäre gut beraten, den Franzosen zu zeigen, dass die zahlreichen Restruktionen eben nicht nur reine Repression gegenüber der Bevölkerung sind, sondern einen sanitären Sinn machen. Auch Abgeordnete, Minister und Präsidenten sind „normal Sterbliche“ und stehen weder über Gesetzen, noch über Naturgesetzen. Wünschen wir dem Gesundheitsminister Olivier Véran eine schnelle Genesung und vor allem in seiner Zwangspause die Erkenntnis, dass Regieren nicht bedeutet, dass man der Bevölkerung Maßnahmen zumutet, die man für sich selbst als unzumutbar empfindet, sondern dass Regierende ein Beispiel geben sollten. Aber das ist wohl nur ein frommer Wunsch – der französischen Regierung geht es inzwischen in allererster Linie darum, das Narrativ aufrecht zu erhalten, dass man die Krise prima managt und im Griff hat. Man darf gespannt sein, wie man reagiert, wenn die Inzidenz (die in Frankreich gestern bei rund 3500 lag) durch die Decke schießt, wie es die Modelle der WHO vorhersagen. Also – wann wird in der Assemblée Nationale und im Senat endlich auch „2G+“ eingeführt?

1 Kommentar zu Zwei Parlamente – aber nicht das gleiche Virus?

  1. Man hat zunehmend den Eindruck eines “Dritte Welt Ladens” (wobei ich die “Dritte Welt” wahrlich nicht herabsetzen will). Kaum vorstellbar was ich so bei Ihnen alles lese … Grande Nation??

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