Zwischen Alarmismus und Realismus

Das Jahr 2020 ist erst wenige Tage alt und kündigt sich bereits als das Jahr der Eskalation an. Was noch nicht brennt, wird gerade angezündet, auf allen Ebenen.

Diese Gefühlsausdrücke kündigen sich für das neue Jahr an... Foto: Coastal Elite from Halifax, Canada / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Gerade haben wir erst die besten Wünsche für das neue Jahr ausgesprochen und schon gehen die Krisen dieser Welt in die nächste Eskalationsstufe. Innenpolitische Krisen, militärische Konflikte, Naturkatastrophen – 2020 wird ein richtig schwieriges Jahr werden.

Die paar Tage Pause zu den Feiertagen am Jahresende waren gar keine richtige Pause. Denn während sich die einen am Weihnachtsbraten gütlich taten, zündelten andere munter weiter. Gewalt und Konflikte bestimmen bereits in den ersten Tagen des Jahrs die Schlagzeilen und man fragt sich, welche Lösungen es für die zahllosen Krisen geben könnte. Antworten auf diese Frage fehlen momentan.

Die größte Sorge momentan ist das Risiko eines neuen Kriegs im Irak, den die USA mit allen Mitteln anheizen. Gezielte Mordanschläge auf hochrangige iranische Militärs kann man nicht anders als Kriegshandlungen bezeichnen und die Ankündigung der iranischen Führung, massiv auf diese Angriffe zu antworten, muss sehr ernst genommen werden. Der Krieg zwischen den USA und dem Iran wird im Irak stattfinden, aber nicht nur. Die USA werden weiterhin ihren High-Tech-Terror in die Region tragen, während der Iran seine Terror-Netzwerke aktivieren wird, die ihrerseits im Westen zuschlagen werden. Den politischen Nutzen daraus wird Donald Trump ziehen, der damit seine Wiederwahl am Ende des Jahres vorbereitet – der „Kampf gegen den Terror“ mit terroristischen Mitteln hatte bereits dem schwächelnden George W. Bush nach den Anschlägen vom 9/11 eine überraschende Wiederwahl spendiert. Es ist fast so, als würde Donald Trump um Anschläge im Westen betteln, um dann den Flächenbrand in der arabischen Welt für seine eigenen Zwecke zu nutzen.

Die NATO wird sich diesem Konflikt nicht entziehen und die Rüstungsindustrie in den USA, aber auch in Frankreich und Deutschland reibt sich die Hände. Und so drehen alle weiter an der Spirale der Gewalt und des Kriegs und wir werden uns darauf einstellen müssen, dass es wieder zu zahlreichen terroristischen Anschlägen in der westlichen Welt kommen wird.

Diese Entwicklung passt gut in das Konzept derjenigen Länder, die gerade von innenpolitischen und sozialen Unruhen geschüttelt werden, von Frankreich bis Venezuela und Chile. Denn das Pulverfass 2020 beschränkt sich nicht auf die große Weltbühne.

Die sozialen Unruhen in Frankreich, die seit November 2018 andauern, werden ebenfalls an Schärfe zulegen. Seit einem Monat streiken die Eisenbahn und viele Verkehrsbetriebe, die Nerven der arbeitenden Bevölkerung liegen blank. Bereits am 9. Januar steht der nächste Generalstreik auf dem Programm und es ist offensichtlich, dass die Regierung nicht in der Lage und wohl auch gar nicht Willens ist, diesen sozialen Konflikt zu befrieden. Unerschütterlich zieht Präsident Macron mit seinem Marionetten-Premierminister Edouard Philippe seine Politik durch, die sich gegen die ärmeren seiner Landsleute richtet und die Taschen seiner begüterten Unterstützer füllt. Kein Präsident der V. Republik hat eine derartige Missachtung seiner Landsleute an den Tag gelegt und statt die sozialen Spannungen abzubauen, gießt Macron permanent weiter Öl ins Feuer. So ist die Verleihung der Würde der Ehrenlegion an den Chef des Investitionsriesen Black Rock nicht etwa eine politische Geschmacklosigkeit, sondern eine Botschaft an das ganze Land – nichts wird Macron davon abhalten, seine gegen sein eigenes Volk gerichtete Politik fortzuführen.

Logische Konsequenz – die sozialen Unruhen und gewalttätigen Demonstrationen werden weitergehen und sobald es bei diesen Demonstrationen zu den ersten Toten kommt (ein Wunder, dass dies noch nicht geschehen ist), dann steht Frankreich am Rande zum Bürgerkrieg.

Und dann kommt zum Ende des Monats mit Riesenschritten der Brexit auf uns zu, der nicht nur katastrophale Auswirkungen auf Großbritannien haben wird, sondern auch auf den Rest von Europa. Was ab dem 31. Januar 2020 passieren wird, steht im „Yellowhammer Report“, doch wird die Regierung Johnson diese katastrophalen Folgen geschickt Brüssel und der EU in die Schuhe schieben. Das wiederum werden die Nationalisten und Populisten in anderen europäischen Ländern dazu nutzen, ebenfalls massiv gegen die EU vorzugehen. Angesichts der Tatsache, dass die europäischen Institutionen unfähig sind, sich von innen zu reformieren, obwohl dies dringend nötig wäre, steht die EU ab Ende Januar vor der größten Krise ihrer Existenz.

Gleichzeitig brennt die Welt. Buchstäblich. Der australische Sommer ist das Abbild des Sommers, den wir in Europa und anderswo erlebt haben – die Temperaturen steigen in Rekordgeschwindigkeit und lösen Kettenreaktionen aus, die nicht mehr beherrschbar sind. So zerstören die Brände im Glutofen Australiens nicht nur das Land, sondern erhöhen auch die Temperaturen des Meerwassers, was bereits heute zu riesigen Fischsterben führt – es sieht so aus, als hätten wir den Point-of-no-Return bereits früher erreicht als gedacht. Das allerdings hält so genannte „Klimaskeptiker“ nicht davon ab zu rätseln, ob der Klimawandel tatsächlich stattfindet und sich darüber zu echauffieren, dass Greta Thunberg Turnschuhe mit Kunststoffsohlen trägt. Auch, wenn die EU mal wieder ambitionierte Klimaziele ausgerufen hat, so muss man festhalten, dass diese Ziele in so weiter Ferne platziert werden, dass man erst einmal so weitermacht wie bisher – schließlich will man ja Big Business nicht reizen. Die Erpressung von Big Business ist einfach: Wenn wir die Welt nicht weiter so zerstören dürfen wie bisher, dann bauen wir Arbeitsplätze ab und lösen damit politische Krisen aus. Also wird man weiterhin uns Bürger auffordern, uns umweltverantwortlich zu verhalten, während Big Business weiterhin jedes Jahr neue Rekordmengen CO2 in die Atmosphäre bläst. Dazu werden wieder noble Klimaziele für die Jahre 2040, 2045 und 2050 definiert werden, die dann von der nächsten Generation umzusetzen sind. Bis dahin machen wir weiter wie bisher.

Für 2020 kann es also nur heißen: Prinzip Hoffnung. Doch die Hoffnung, dass die Weltenlenker etwas anderes zum Ziel haben als ihre eigenen Karrieren, scheint ziemlich naiv zu sein…

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