Zynischer Umgang mit menschlichen Schicksalen

Der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron droht den Briten für den Fall des „Brexit“. Die politische Kultur in Europa nähert sich langsam, aber sicher, dem Nullpunkt.

Durch die braune Röhre will Emmanuel Macron die Flüchtlinge auf die Insel schleusen. Sollten Schleuser nicht bekämpft werden? Foto: Commander Keane / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Was soll das denn? Der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron hat Großbritannien gedroht, im Falle eines Ausscheidens der Insel aus der EU die vor dem Eurotunnel bei Calais wartenden Flüchtlinge nicht mehr vom Versuch abzuhalten, nach Großbritannien zu gelangen. Abgesehen davon, dass diese Drohung ein wenig nach Kindergarten klingt, ist sie gleichzeitig unglaublich zynisch, denn hier wird mit tragischen menschlichen Schicksalen gepokert, um seine eigene politische Position durchzubringen. Was dann am Ende des Tages genauso erbärmlich ist wie die Abschaffung des Schengenraums, an dem die politisch Verantwortlichen gerade in Ermangelung besserer Ideen und gegen den ausdrücklichen Wunsch der Europäerinnen und Europäer basteln.

Sollte Großbritannien die EU verlassen, so drohte Macron in einem Interview mit der Financial Times, dann würde Frankreich nicht länger die Flüchtlinge davon abhalten, den Versuch zu wagen, auf die Insel zu gelangen (also irgendwie durch den Eurotunnel zu kommen) und außerdem würde er europäische Banken auffordern, ihre Aktivitäten auf der Insel einzustellen und wieder auf das europäische Festland zu kommen. Immerhin verkniff sich Macron die Drohung, dass er im Falle eines „Brexit“ David Cameron mit Sand bewerfen würde…

Sollten die Briten aus der EU aussteigen, dann gäbe es von einem Tag auf den anderen nichts mehr, was Tausende Personen davon abhalten könnte, den Ärmelkanal zu überqueren, drohte Macron, denn „die Kontrollen an den Grenzen würden abgeschafft“. Das klingt allerdings so, als hätten Macron und seine Berater das alles noch nicht so richtig durchgedacht – denn sollten die Briten am 23. Juni tatsächlich aus der EU aussteigen, würde aus der innereuropäischen Grenze zwischen Frankreich und Großbritannien eine EU-Außengrenze und das wäre in der aktuellen Situation etwas ganz Neues, wenn die Kontrollen an einer EU-Außengrenze eingestellt würden.

Die Drohungen Macrons sind kindisch und kurzsichtig. Allerdings entsprechen sie auch gerade der französischen Regierungspolitik, die darin besteht, dass Präsident Hollande versucht Gemeinsamkeiten mit den Partnern zu etablieren, die dann von seinem Führungspersonal gleich wieder aufgehoben werden. Genau wie vor wenigen Wochen, als er sich mit Angela Merkel in Straßburg traf, die beiden verabredeten, ein gemeinsames deutsch-französisches Projekt zur Flüchtlingsfrage beim europäischen Gipfel präsentieren zu wollen und sein Premierminister Manuel Valls bei seiner Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz alles auf den Kopf stellte, als er im Namen Frankreichs die Obergrenze für Flüchtlinge, die Frankreich bereit wäre aufzunehmen, auf 30.000 festsetzte. Angesichts der Tatsache, dass alleine Baden-Württemberg weit über 100.000 Flüchtlinge aufgenommen hat, war diese Positionierung von Valls genau das Gegenteil dessen, was Hollande zuvor mit Angela Merkel besprochen hatte.

Und so ist es auch jetzt – gestern trafen sich François Hollande und David Cameron und genau zu diesem Zeitpunkt musste Emmanuel Macron ungefragt den Druck auf alle Beteiligten erhöhen. Doch ob die Androhung trotziger „Strafen“ ein Mittel ist, die britischen Wähler vom „Bremain“ zu überzeugen, ist mehr als fraglich.

Dass allerdings Macron mit dem Schicksal Tausender Menschen spielt, um seine politischen Vorstellungen von Europa zu stärken, das ist einfach nur widerlich, vor allem, da er weiß, dass Großbritannien inzwischen illegale Einwanderer kriminalisiert. Sich so über das Schicksal von Menschen lustig zu machen, die vor Krieg, Terror und Gewalt flüchten, ist entweder zynisch und ekelhaft, oder aber zumindest völlig gedankenlos. Offenbar ist der Wunsch der Sozialisten, im Jahr 2017 wiedergewählt zu werden, nicht so richtig ausgeprägt. Denn mit solchen Aussagen disqualifiziert man sich eigentlich für jedes politische Amt.

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