Deutschland ist nicht Frankreich

Laut einer Umfrage des Instituts Forsa sind die Deutschen genauso unzufrieden mit der Politik wie die Franzosen. Aber eine Sozialbewegung wird in Deutschland nicht daraus.

Dass wir Reformen brauchen, sieht (fast) jeder. Daran arbeiten will aber niemand. Foto: Konrad-Adenauer-Stiftung / CDU / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Frankreich, das ist das Land, in dem sich die Bevölkerung seit Jahrhunderten erfolgreich gegen ihre Politik wehrt. Und wenn es sein muss, sogar die Monarchie abschafft. Deutschland folgt zwar traditionell den Entwicklungen in Frankreich, doch soziale Bewegungen, die auf der Straße Druck auf die Regierenden ausüben, gibt es in Deutschland kaum. Man ist zwar so unzufrieden wie die Franzosen, allerdings ist man das eher daheim im stillen Kämmerlein, in der Hoffnung, dass sich schon alles zum Guten wenden wird. Schade ist nur, dass sich von selbst gar nichts zum Guten wenden wird und dass das Schweigen dazu führt, dass Deutschland, wie so viele andere Länder, in absehbarer Zeit in die Hände der rechtsextremen Neonationalisten fallen wird.

Laut dieser Forsa-Umfrage sind 82 % der Bundesbürger der Ansicht, dass das Land grundlegende Reformen braucht, eine gerechtere Verteilung der Lasten, weniger Bürokratie, ein gerechteres Rentensystem unter gleichberechtigter Einbeziehung von Beamten und Nicht-Beamten und zahlreiche andere Reformen. Das Leitmotiv der gewünschten Reformen ist „Gerechtigkeit“ und die ist in den westlichen Ländern schon lange nicht mehr gegeben, wo man sich dem Credo hingibt, dass wenn es den Superreichen gut geht, das dann auch irgendwie den ärmeren Bevölkerungsschichten nutzen würde. Das war und ist zwar nicht der Fall, klingt aber gut und ermöglicht der Politik, diejenigen zu schonen, die ihre Wahlkämpfe und damit auch ihre persönlichen Karrieren fördern.

Aber Unzufriedenheit ist nicht dasselbe in Frankreich und Deutschland. Während sich Deutschland am Stammtisch ärgert, gehen die Franzosen auf die Straße, wie letztes Jahr bei den Protesten gegen die unbeliebte Rentenreform, die 2 Millionen Demonstranten auf die Straße trieb. Bereits am 10. September werden die Proteste in Frankreich wieder losgehen und obwohl die staatlich gesteuerten TV-Sender alles daran setzen, die Mobilisierung für diese Proteste im Vorfeld kleinzureden, muss man mit einer massiven Beteiligung rechnen. Denn die Franzosen haben nach ihren Umfragen die Nase endgültig von der „Macronie“ voll, nachdem diese das Land an den Rand des Ruins getrieben hat und nun der Bevölkerung den Auftrag gibt, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Selbst die Ankündigung von Bundeskanzler Merz, dass „der Sozialstaat so nicht weitermachen kann“, treibt die Deutschen nicht auf die Straße. In Deutschland demonstriert man höchstens für die Hamas, für LGBT-Rechte oder gegen Windenergie, aber bei den grundlegenden Fragen, die das Zusammenleben in der Gesellschaft betreffen, verhält man sich eher still. Und so kann dann der Sozialabbau in Ruhe stattfinden, während die Franzosen zum Ausdruck ihrer Unzufriedenheit traditionell ihre Innenstädte in Schutt und Asche legen.

Doch die Zeiten sind so, dass man protestieren muss. Wer schweigt, stimmt zu und bei allem, was momentan passiert, sollte man nicht zustimmen, denn die Politik treibt die Welt gerade in eine neue Katastrophe, die schon längst begonnen hat. Die Politik sollte allerdings verstehen, dass sie auf die Sorgen und Nöte der Bevölkerung eingehen muss, wenn sie die letzte Chance ergreifen will, unsere Länder vor dem Neofaschismus zu bewahren. Doch leider deutet nichts darauf hin, dass die Politik zu einer echten Überlegung im Interesse der Bevölkerung in der Lage ist.

82 % der Deutschen wollen „grundlegende Reformen“. Und wer ist in der Politik bereit, solche Reformen wirklich anzugehen?

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