Frankreich zittert dem 10. September entgegen

Ein in dieser Form nicht bekanntes Aktionsbündnis will am 10. September und danach das ganze Land blockieren. Dieses Vorhaben könnte erfolgreicher sein als damals die „Gelbwesten-Bewegung“.

Mit solchen Bildern aus Frankreich wird man ab dem 10. September wieder rechnen müssen... Foto: Patrice CALATAYU from Bordeaux, France / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Die Franzosen haben die Nase voll. Die vor einem Jahr abgewählte Regierung ist im Prinzip immer noch am Drücker, auch, wenn alle paar Monate der Regierungschef gestürzt wird, nur um postwendend vom nächsten „Macronisten“ ersetzt zu werden. Nun ist gerade François Bayrou Regierungschef von Macrons Gnaden und drückt den ohnehin schon gebeutelten Franzosen ein Austeritäts-Programm aufs Auge, mit dem das soziale Fass im Land überläuft.

In der bereits im Frühjahr in den sozialen Netzwerken entstandenen neuen „Bewegung 10. September“ sind sowohl die alten „Gelbwesten“ involviert, aber vor allem mehrere Gewerkschaften, die in der Lage sein könnten, Proteste wirkungsvoller zu organisieren, als die „Gelbwesten“ das konnten. Genaues über das, was ab dem 10. September in Frankreich passieren wird, weiß man noch nicht. Doch es wird wohl darum gehen, sich dem Rechts-Liberalismus der „Macronie“ zu verweigern, mit Aktionen wie der Nichtbenutzung von Kreditkarten, dem Boykott der großen Supermarktketten, Streiks und Demonstrationen – und das sind die einzigen Mittel, die den Franzosen noch bleiben, nachdem sie merken mussten, dass selbst Wählen keine Veränderungen mehr in einem Land bringt, in dem der Präsident eine Art absolutistischer Herrscher ist, der gerne am Parlament vorbei regiert und die französische Demokratie ad absurdum geführt hat.

Doch wird man auch wieder mit gewalttätigen Auseinandersetzungen rechnen müssen, denn immerhin findet das alles in Frankreich statt und mit Akteuren, die in solchen Auseinandersetzungen erfahren sind und mit Sicherheit Unterstützung vom „Schwarzen Block“ und anderen gewalttätigen Gruppen erhalten werden.

Das Mobilisierungs-Potential dieser neuen Bewegung, die sich für „apolitisch“ erklärt, dürfte recht hoch sein. Denn wenn die Gewerkschaften die Organisation übernehmen, dann geht das in Richtung einer Massenbewegung, die wohl als ersten Regierungschef François Bayrou kosten dürfte, der inzwischen kaum noch weiß, welchen seiner persönlichen Skandale er als erstes vertuschen muss.

Dabei ist klar, dass es nicht um die Marionette Bayrou geht, sondern um den Alleinherrscher Macron, unter dessen Führung seine zahlreichen Regierungen das Land an den Rand des Ruins getrieben haben. Leidtragende sind die Franzosen, denen es insgesamt immer schlechter geht und in dieser unruhigen Gemengelage könnte der 10. September dramatisch werden. Macron hat den Bogen überspannt und man fragt sich, wie es sein kann, dass sich der von den Franzosen mit riesiger Mehrheit abgelehnte Macron immer weiter an die Macht klammert, statt den Weg zur VI. Republik freizumachen, denn die wird es nach der „Macronie“ geben, mit einer neuen Verfassung, die verhindern wird, dass erneut eine einzelne Person die komplette Macht über das Land an sich reißen kann.

Das, was ab dem 10. September in Frankreich passieren wird, hat einzig und allein Macron zu verantworten, dessen Versuch Frankreichs Demokratie auszuhebeln nicht ewig dauern wird. Frankreich steht ein sehr unruhiger Herbst bevor und zwar nicht als „remake“ der „Gelbwesten“, sondern eher im Format „Gelbwesten+“. Nur mit Polizeigewalt werden sich Frankreichs soziale Probleme nicht mehr lösen lassen und Macron wäre gut beraten, es nicht auf eine gewaltsame Auseinandersetzung mit der eigenen Bevölkerung ankommen zu lassen. Doch scheint dieser Präsident Freude an solchen Auseinandersetzungen zu haben. Da kann man nur für ihn und für Frankreich hoffen, dass er sich da nicht verpokert.

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