Jetzt geht es dem Sozialstaat an den Kragen…

Erstaunlich, dass die SPD als Juniorpartner der Bundesregierung bei diesem Anschlag auf den Sozialstaat und der Stigmatisierung der schwächsten Elemente der Gesellschaft mitmacht.

Es ist die ewig alte Frage - soll Armut bekämpft oder bestraft werden? Bestrafen erscheint absurd... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – So, das war es dann mit dem „Bürgergeld“, es kommt die „Grundsicherung“ und die auch nicht für alle. Wer psychische und/oder physische Probleme hat, läuft Gefahr, ziemlich schnell aus jeder Art der Sicherung herauszufallen und da nützt es wenig, dass die Bundesregierung „Härtefälle“ gesondert behandeln will. Es bleibt die Sichtweise von CDU und SPD, dass Armut und Arbeitslosigkeit Ausdruck einer Leistungsverweigerung sind, die in letzter Konsequenz durch das Streichen der minimalen Lebensgrundlage bestraft werden kann, soll und muss.

Knackpunkt ist das Erscheinen der Leistungsempfänger bei den Terminen im Jobcenter. Ob das nun den hohen Damen und Herren in Berlin passt oder nicht, das Nichteinhalten solcher Termine ist nicht unbedingt der Ausdruck einer „mir ist alles egal-Haltung“, sondern zumeist das Ergebnis von Sozialphobien, die immer häufiger beobachtet werden.

Dass Multi-Millionär Friedrich Merz nicht im Entferntesten nachvollziehen kann, welchen psychischen Druck viele Leistungsempfänger haben, ist klar. Doch mit Sätzen wie „aber diejenigen, die gar nicht mitwirken, die sich noch nicht einmal melden beim Jobcenter, von denen müssen wir doch davon ausgehen, dass sie die Hilfe des Staates, des Sozialstaates, nicht brauchen.“. Irrtum, Herr Merz, hier handelt es sich zumeist um Menschen, die Hilfe am allernötigsten haben. Wenn diesen Menschen alle Leistungen gestrichen werden, sie also praktisch in die Kriminalität getrieben werden, gewinnt der Staat auch nicht sonderlich viel.

Die neue „Grundsicherung“ ist die Materialisierung des alten Vorurteils, dass arme und arbeitslose Menschen einfach nur faul sind und sich einen netten Lenz auf Kosten des Sozialstaats machen wollen. Nur – dieses Vorurteil ist grundlegend falsch, was man auch an den verschiedenen Experimenten mit dem „bedingungslosen Grundgehalt“ erkennt, denn überall dort, wo Leistungsempfänger ein solches „Grundgehalt“ bezogen, nutzten die meisten Empfänger diese Gelegenheit, ihre Versuche, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen, deutlich zu intensivieren. Die Gleichung arm=faul ist nicht nur eine politische Instinktlosigkeit, sondern eine menschliche Unverschämtheit.

Immerhin, die Jusos, also die Nachwuchsorganisation der SPD, hat ihre Abgeordneten aufgefordert, gegen dieses Vorhaben zu stimmen, denn eine Stigmatisierung der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft ist eben nicht nur inhuman, sondern bringt überhaupt nichts.

Klar, die Politik sucht händeringend nach Einsparpotentialen, um ihre verschiedenen Kriege finanzieren zu können, um ganze Industrien zu stützen, deren Management die Entwicklungen der letzten Jahre verschlafen hat, um Banken und die Rüstungsindustrie hochzupäppeln, aber dann sollte man das Geld doch vielleicht lieber dort holen, wo es auch ist – bei den Superreichen, die dank gewiefter Steuerberater nicht nur keine Steuern zahlen, sondern sogar noch viel Geld als Rückzahlungen erhalten. Wenn sie nicht gleich ihr Vermögen auf den Cayman Islands parken…

Da bei mehreren versäumten Terminen im Jobcenter nicht nur alle Leistungen gestrichen werden können, sondern auch die Beihilfe zur Miete, muss man damit rechnen, dass „dank“ der Grundsicherung zahlreiche Menschen obdachlos werden. Wie die Politik das als „Erfolg“ verkaufen will, ist schleierhaft. Denn nach wie vor gilt der alte Satz „Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich an der Art und Weise, wie sie mit ihren schwächsten Elementen umgeht“. Vielleicht sollte mal jemand Friedrich Merz an diesen Satz erinnern… idealerweise, bevor dieses Vorhaben „noch in diesem Jahr“ im Bundestag eingebracht und entschieden wird.

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