Not gegen Elend…

Im nächsten Jahr haben die Deutschen bei der Bundestagswahl die Qual der Wahl – zwischen zwei Kandidaten, die sie beide nicht wollen. Sagen zumindest die Umfragen.

Der frühere Blackrock-Manager und CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist genauso beliebt wie Kanzler Olaf Scholz - nämlich gar nicht. Foto: Harald Dettenborn / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0de

(KL) – So, nun ist die Frage der Kanzler-Kandidatur bei der CDU erstaunlich schnell und reibungslos geklärt worden. Nach dem Rückzieher von NRW-Ministerpräsident Hendrick Wüst und dem überraschenden grünen Licht von Markus Söder wird es also Friedrich Merz. Bei der SPD freut sich nach eigenen Aussagen Olaf Scholz auf eine zweite Amtszeit. Einziges Problem, die Deutschen wollen beide nicht, weder Merz noch Scholz. Laut Umfrage des RTL/n-tv-Trendbarometers kommen beide gerade mal auf 26 % Zustimmung in der Wählerschaft. Und das bedeutet nichts anderes, als dass drei Viertel der Bevölkerung keinen der beiden Kandidaten haben wollen.

Was ist nur mit den Parteien los, die einstmals das Etikett „Volkspartei“ trugen? Es hat fast den Anschein, als lebten die Parteien in ihren Berliner Parteizentralen in einer Art „Blase“, in der sie nicht mehr mitbekommen, was eigentlich im Land los ist. Das zeigte sich auch in den Erklärungen von Olaf Scholz nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, als er erklärte, „das Schlimmste sei nicht eingetreten“. Wie man das SPD-Ergebnis von 7,5 % und 6,1 % als Kanzler so interpretieren kann, wird wohl Scholz’ Geheimnis bleiben.

Bis zur Bundestagswahl würde ausreichend Zeit bleiben, die beiden unbeliebten Kandidaten auszutauschen und vielleicht mit anderen Kandidaten an den Start zu gehen, die nicht muffig nach vorgestern riechen und mehr Chancen haben, gegen die Lautsprecher von AfD und BSW zu punkten. Dass Merz und Scholz nicht diejenigen sind, die Deutschland durch die aktuellen und kommenden Krisen führen können, ist den Deutschen mehrheitlich klar, nur nicht den Parteiapparaten, die sich immer mehr zum Problem entwickeln.

Wir leben, zumindest auf dem Papier, in einer repräsentativen Demokratie. Doch wenn man schon vor der Wahl weiß, dass wer immer der „Gewinner“ dieser Wahl ist, er höchstens ein Viertel der Wähler repräsentiert, dann ist das ein Problem. Doch auch das scheint den Parteien egal zu sein, sie ziehen „ihr Ding“ durch, ohne dabei auf die Bürgerinnen und Bürger oder das Weltgeschehen zu achten. Hauptsache, man sichert sich ein warmes Plätzchen am Ofen und was danach passiert, ist fast schon egal.

Nur ist es genau dieses abgehobene Verhalten der Parteien und ihrer Parteichefs, das die Menschen scharenweise den Extremisten in die Arme treibt. Denn im Grunde haben einige Jahrzehnte des links-rechts-Wechsels gereicht und es setzt sich das Gefühl durch, die traditionellen Parteien hätten ihre Zeit gehabt und nun wäre es an der Zeit für etwas Neues. Da aber die traditionellen Parteien unfähig sind, sich von innen zu erneuern, es aber gleichzeitig keine neuen politischen Kräfte in der demokratischen Mitte gibt, erfahren eben die Extremisten den Zulauf.

Wenn das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ aus dem Stand an der SPD vorbeizieht, ohne dass jemand sagen könnte, wofür das BSW wirklich steht, dann ist das ein Zeichen der Verzweiflung in der Wählerschaft, das zeigt, dass alles wählbar ist, was nicht zu den traditionellen Parteien gehört.

Aber was hindert diese Parteien daran, einen programmatischen und personellen Neuanfang zu wagen? Sie eilen von Wahlschlappe zu Wahlschlappe, reden sich die Niederlagen schön und schauen einfach nur zu, wie Deutschland, ähnlich wie Frankreich, immer weiter an den rechtsextremen Rand rutscht. Dabei verfügen alle traditionellen Parteien durchaus über andere politische Talente, die vielleicht weniger bekannt sind als die Herren Merz und Scholz, dafür aber auch nicht so unbeliebt. Ein Jahr reicht aus, um einen neuen Kandidaten oder eine neue Kandidatin aufzubauen, statt sich weiter an denen festzuklammern, die ohnehin bei den Wählern schon unten durch sind.

Aufgrund der Starrköpfigkeit der Parteien, die sich weiterhin weigern, die Stimmung in der Republik ernstzunehmen, wird Deutschland weiter nach rechts rutschen, und es wird schon bald nicht mehr möglich sein, Regierungen ohne die Beteiligung von Extremisten zu bilden. Dies haben sich die Parteien und ihr Spitzenpersonal selbst zuzuschreiben. Nur – diese Leute sind zwar verantwortlich, müssen aber die Folgen ihrer Starrköpfigkeit nicht selber ausbaden – das müssen die Bürgerinnen und Bürger, die sich künftig mit „gesichert rechtsextremen“ Kräften herumschlagen müssen, während diejenigen, die für diese Entwicklung verantwortlich sind, fette Pensionen in der Sonne genießen können.

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