Nur für Masochisten

Wer momentan die politischen Debatten in Frankreich verfolgt, ist entweder Masochist oder muss dies aus beruflichen Gründen tun. Das Niveau der Debatten ist grottenschlecht.

So fühlen sich gerade viele Franzosen von ihren Politikern behandelt... Foto: Mardetanha / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – „Wir müssen im Interesse Frankreichs Kompromisse beim Haushalt machen“, tönt es momentan aus allen politischen Lagern Frankreichs. Gemeint ist allerdings, dass die jeweils anderen gefälligst Kompromisse machen müssen, nur nicht man selbst. Doch so, wie es aussieht, steuert auch die Regierung „Lecornu 2“ auf ihren Sturz zu, denn sie tut nicht viel mehr, als weiterhin die Politik von Präsident Macron umzusetzen, doch angesichts von Zustimmungswerten von nur noch 11 % für diesen Präsidenten ist es ein schier unmögliches Unterfangen, die „Macronie“ weiter am Leben zu halten.

Täglich laufen stundenlange Debatten auf den Infokanälen des französischen Fernsehens und selten waren diese inhaltsleerer als heute. Jeder der Teilnehmer betet seine längst bekannten Standpunkte herunter, es wird gebrüllt, ins Wort gefallen und das Ganze in einem aufgeregten Ton, als hätten diese Debatten noch irgendeine Bedeutung. Die Franzosen haben sich aus diesen Debatten längst ausgeklinkt, da völlig klar ist, dass es in der aktuellen Konfiguration keinerlei Möglichkeit gibt, den politisch festgefahrenen Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen.

Frankreich befindet sich in einer Krise ungeahnten Ausmaßes. Die Kassen sind so leer, dass die Rating-Agenturen Frankreichs Kreditwürdigkeit und Perspektiven immer weiter herabstufen; die europäischen Stabilitätskriterien sind Lichtjahre entfernt und das Duo Macron/Lecornu klammert sich mit letzter Energie an der Macht fest, die schon längst nicht mehr bei der „Macronie“ liegt.

Dafür zeigen die Parteien, dass sie heute keinerlei „Werte“ mehr vertreten und schon gar nicht die Franzosen, sondern dass es nur noch darum geht, die eigenen Abgeordneten möglichst lange in ihren Positionen zu halten, da man links wie rechts weiß, dass wenn es zu Neuwahlen kommen sollte, ein großer Teil der Abgeordneten nicht wiedergewählt würde – denn der rechtsextreme Tsunami ist bereits unterwegs, wie auch die jüngsten Umfragen zeigen, in denen der mögliche Präsidentschafts-Kandidat des rechtsextremen Rassemblement-ex-Front National, Jordan Bardella, auf so viele Stimmen käme wie seine hartnäckigsten Konkurrenten zusammen.

Da es bei den nächsten Wahlen keine „Brandmauer“ geben wird, nachdem Präsident Macron diejenigen, die im Sinne einer solchen „Brandmauer“ auf Kandidaturen gegen die Macron-Kandidaten verzichtet hatten, eiskalt über den Tisch gezogen hatte, indem er seit Juli 2024 die Wahlergebnisse einfach ignoriert, dürfte der „zentrale Block“ bei den nächsten Wahlen in sich zusammenbrechen. Ebenso gegen Neuwahlen sind natürlich die Sozialisten, die unter ihrem Parteichef Olivier Faure mal mit den „Macronisten“ stimmen, mal mit den Rechtsextremen, nicht aber mit dem linken Block, der in dieser Krise implodiert ist. In einer Situation, in der weder die Linksextremen mit ihrer Unterstützung des internationalen Terrors, noch die Sozialisten als Unterstützer des politischen Gegners von gestern, noch der „zentrale Block“ wählbar sind, läuft alles auf eine Machtübernahme der Rechtsextremen hinaus.

Vielen Franzosen ist das heute schon fast egal, Hauptsache, die von Präsident Macron ausgelöste Regierungskrise kommt zu einem Ende. Inhaltlich verfolgt ohnehin kaum noch jemand die Debatten, und emotional haben sich die Franzosen von dieser Politik und diesen Politikern bereits seit einiger Zeit verabschiedet.

Wer in dieser Gemengelage noch die TV-Debatten zwischen Hinterbänklern und „Experten“ verfolgt, hat Respekt verdient. Denn viel langweiliger als das stundenlange Gebrülle der Debattierenden geht es kaum noch. Das wird sich auch so lange nicht ändern, bis der Präsident, der nur noch auf die Zustimmung von einem von zehn Franzosen bauen kann, endlich abdankt und den Weg für Neuwahlen freimacht. Das Argument, dass die aktuelle Regierung aus Gründen der „Stabilität“ nicht gestürzt werden sollte, ist geradezu lächerlich, denn die einzige Stabilität, die das Land heute kennt, ist das Versagen des Präsidenten und seiner Adlaten, die seit 2018 Frankreich nicht mehr im Griff haben.

Vermutlich hoffen Macron & Ko. jetzt darauf, dass sich die Franzosen überhaupt nicht mehr für Politik, dafür aber mehr für die Feste zum Jahresende interessieren und dass daher die Regierung „Lecornu 2“ eine Gnadenfrist erhält. Aber warum eigentlich? Angesichts des Umstands, dass auch diese Regierung nichts auf die Reihe bekommt, was in Frankreich auch nur annähernd mehrheitsfähig ist, könnte man jetzt das Parlament erneut auflösen und tatsächlich Neuwahlen ausschreiben.

Denn so wie heute kann es unmöglich bis 2027 weitergehen, wenn regulär die nächste Präsidentschaftswahl stattfindet. Denn bis dahin kann die „Macronie“ noch mehr Schaden an Frankreich anrichten und das sollte man tunlichst vermeiden. Und dazu sollte man sich jetzt bereits Gedanken machen, wie die VI. Französische Republik aussehen sollte, um künftig solche „Putsche von oben“ wie denjenigen von Emmanuel Macron auszuschließen. Von Woche zu Woche fragen sich die Beobachter dieses absurden Theaters, was den handelnden Personen noch so alles einfällt. Und das gilt auch für die neue Woche, von der niemand sagen kann, wie das politische Frankreich am nächsten Wochenende aussehen wird.

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