Tja, was nun, Herr Merz?

Die verschärften Grenzkontrollen an der deutschen Grenze in Kehl sind mehr als nur ärgerlich. Sie werden zu einem echten Hindernis für den kleinen Grenzverkehr.

Die Tramlinie D vor dem Kehler Rathaus an der Endhaltestelle - ob diese auch weiterhin angefahren wird? Foto: Cik54 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Verbeugung des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) vor der AfD zum Thema Migration war überflüssig und entpuppt sich als teure und weitgehend sinnlose Maßnahme. Die Grenzbeamten sind von den zusätzlichen Schichten der intensivierten Grenzkontrollen erschöpft, diese Intensivierung der Grenzkontrollen kostet Millionen und in Grenznähe wirkt sich die Verlangsamung des Grenzübertritts verheerend für den Einzelhandel und die Grenzgänger aus. Die OBs von Straßburg, Jeanne Barseghian und von Kehl, Wolfram Britz, haben einen geharnischten Brief an Kanzler Merz geschickt, in dem die Absicht der Straßburger Verkehrsgesellschaft CTS mitgeteilt wird, dass diese mit dem Gedanken spielt, die beiden letzten Haltstellen auf Kehler Seite, „Hochschule/Läger“ und „Kehl Rathaus“, künftig nicht mehr anzufahren.

Will sich Friedrich Merz als der „Abschaffer“ der europäschen und grenzüberschreitenden Realitäten am Oberrhein präsentieren? Oder wird er hören, was als Echo aus der Region nach Berlin zurückschallt? Die vielen Berufspendler, aber auch die vielen Straßburger, die nach Kehl zum Einkaufen fahren, sind stocksauer. Während die Autofahrer häufig eine halbe Stunde Wartezeit auf der Europabrücke in Kauf nehmen müssen, wird in den Tram-Zügen kontrolliert und das alles wirft nicht nur die Fahrpläne in ganz Straßburg durcheinander, sondern hat auch massive Auswirkungen auf den Handel, der in Kehl zu rund der Hälfte von den Straßburger Verbrauchern getragen wird.

Vom schulischen und kulturellen Austausch zwischen Kehl und Straßburg wollen wir gar nicht erst anfangen – dort, wo in den letzten Jahren eine gemeinsame Identität geschaffen wurde, sind nun wieder zwei Länder, von denen sich eines gegen alles abschottet, was nicht deutsch ist. Dass dies ein klar anti-europäisches Verhalten ist, mit dem sich der neue Kanzler Merz bei AfD-Wählern beliebt machen will, sieht jeder – doch sollte die Berliner Parteipolitik nicht auf dem Rücken der Bevölkerung am Oberrhein ausgetragen werden.

In ihrem Schreiben fordern die beiden Bürgermeister, dass die Grenzkontrollen wieder auf ein Maß heruntergefahren werden sollen, dass der grenzüberschreitende Austausch nicht weiter behindert wird. Denn faktisch schert Friedrich Merz aus dem Schengen-Raum aus und das auch gleich an allen deutschen Grenzen, die recht zahlreich sind, denn Deutschland grenzt an neun andere Länder.

Dass die Sprecher der Polizei vor der Überlastung der Beamten und den horrenden Kosten warnen, dass das tägliche, grenzüberschreitende Leben in den Grenzregionen massiv belastet wird, dass der Einzelhandel massive Einbußen hinnehmen muss, dass der Traum von gemeinsamen, europäischen Lebensräumen in Berlin von Friedrich Merz zerstört wird, ist unglaublich. Doch jetzt steht Friedrich Merz unter Druck. Will er wirklich die Inkarnation des Anti-Europäers sein? Will er sich das ans Revers heften? Oder wird er seinen Innenhelfer Alexander Dobrindt anweisen, diesen anti-europäischen Salat einfach wieder aufzuheben?

Wenn die Straßburger CTS Ernst macht und die Tramlinie D künftig nur noch bis zur Haltestelle „Kehl / Bahnhof“ fahren sollte, werden damit die Uhren um etliche Jahre zurückgestellt und alles, was man sich in diesem Grenzbereich jahrelang erarbeitet hat, erlischt mit einem Schlag.

Jeanne Barseghian und Wolfram Britz haben völlig richtig gehandelt, indem sie den neuen Kanzler vor seine Verantwortung stellen. Und die neue deutsche Regierung muss sich entscheiden – will sie ihr neues Amt anti-europäisch führen, um ein paar AfD-Stimmen abzugreifen oder will sie europäisch denken und handeln? Der Ball liegt nun bei Friedrich Merz, der sich entweder richtig oder falsch entscheiden kann. Noch kann der politisch unerfahrene Merz seinen Fehler korrigieren. Doch wenn die CTS Ernst macht, wird es zu spät sein und alle, die seit Jahrzehnten am Oberrhein grenzüberschreitend arbeiten, können wieder von vorne anfangen.

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