Und sie hatten doch Recht…
Seit 1996 protestierten Bürgerinnen und Bürger gegen das pharaonische Projekt des Stuttgarter Tiefbahnhofs „Stuttgart 21“. Wie recht sie hatten, zeigt sich immer deutlicher.
Die Kosten explodieren, S21 wird und wird nicht fertig... Foto: Giftzwerg 88 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int
(KL) – Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat gesprochen. Die Deutsche Bahn muss fast die ganzen Mehrkosten des Projekts „Stuttgart 21“ (S21) alleine tragen. Und dabei geht es um richtig viel Geld. Während die Kommunen und die öffentlichen Stellen aufatmen, müssen sich Bahnkunden wohl eher auf schlechte Nachrichten einstellen – denn die Deutsche Bahn wird kaum die nun auf sie zukommenden Mehrkosten von „S21“ stemmen können, ohne dass die Preise für’s Bahnfahren steigen.
Ursprünglich sollten die Kosten für das Mammut-Projekt bei 2,6 Milliarden Euro liegen. Über diesen Betrag entschieden zumindest 2011 die Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs, bei einem Volksentscheid, der im Vorfeld sehr kontrovers diskutiert wurde, insbesondere nach den Demonstrationen gegen „S21“ im November 2010, als über 100 Demonstranten bei einem heftigen Polizeieinsatz verletzt worden waren. Als die Verträge zwischen der Deutschen Bahn, der Stadt Stuttgart, dem Land Baden-Württemberg und weiteren Partnern geschlossen wurden, deckelte man vertraglich eventuelle Mehrkosten auf 4,5 Milliarden Euro. Dabei dachte man wohl, dass dies die Kosten auch dann auffangen würde, wenn das Projekt aus dem Ruder laufen sollte.
Das Projekt „S21“ lief dann tatsächlich aus dem Ruder. Die Kosten sind inzwischen auf runde 11 Milliarden (!) Euro gestiegen, das eigentlich 2019 fertigzustellende Projekt ist noch weit von seiner Finalisierung entfernt und niemand kann sagen, wann es zu welchem Endpreis dann dem Verkehr übergeben werden kann. Die Parallelen zum Berliner Flughafen BER sind nicht zu übersehen.
Die Dummen bei diesem Projekt sind in jedem Fall die Bürgerinnen und Bürger und das nicht nur in Baden-Württemberg. Denn die Milliarden, um die es geht, wird am Ende irgendwer bezahlen müssen. Und das sind alle. Denn die Deutsche Bahn ist als 100 %-Unternehmen des Bundes ebenso aus Bundesmitteln, sprich Steuergeldern, finanziert wie die öffentlichen Einrichtungen, die an diesem Projekt beteiligt sind. Es wird also Geld aus Steuermitteln von einer Tasche in die andere geschaufelt und ob nun die Deutsche Bahn die bisher angefallenen Mehrkosten von 6,5 Milliarden Euro bezahlt oder Stadt, Land und Bund, kommt am Ende auf das Gleiche heraus.
Das noch nicht letztinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart ist also weder eine gute, noch eine schlechte Nachricht, wenn man einmal davon absieht, dass das ganze Projekt „S21“ eine schlechte Nachricht ist. Dadurch, dass diese unglaublichen Mehrkosten nach diesem Urteil bei der Deutschen Bahn hängenbleiben, läuft es, sollte das Urteil Bestand haben, auf eine Erhöhung der Fahrtpreise hinaus, denn in einer Situation, in der die Deutsche Bahn rund eine Milliarde Defizit im Jahr einfährt und einen Investitionsstau von 47 Milliarden Euro in eine teilweise schwer angeschlagene Infrastruktur aufweist, kann dieses neue Milliardenloch nur durch höhere Fahrtpreise oder milliardenschwere Subventionen auffangen. In beiden Fällen zahlt der Steuerzahler die Zeche.
Die Deutsche Bahn wird nun mit Bund, Land und Stadt verhandeln, was für alle Beteiligten am besten ist. Das Verfahren in die Länge ziehen, während die Kostenexplosion weitergeht? Das Urteil akzeptieren und die Mehrkosten durch Fahrtpreis-Erhöhungen zumindest teilweise kompensieren? Die Haushalte von Bund, Land und Stadt mit weiteren Milliarden belasten? Dies dürfte nun hinter verschlossenen Türen in Stuttgart und Berlin verhandelt und entschieden werden. Für die Allgemeinheit wird das Ergebnis dieser Verhandlungen keinen großen Unterschied machen – zahlen muss sie so oder so. Hätte man nur damals auf die Demonstranten in Stuttgart gehört…
Kommentar hinterlassen