Das Ende der Sklaverei?

Die EU will der „Scheinselbständigkeit“ zahlloser Lieferfahrer ein Ende setzen. Trotz massiven Widerstands aus Deutschland will die Mehrheit der EU-Länder dieser Art der modernen Sklaverei ein Ende setzen.

Glaubt irgendjemand, dass diese hart arbeitenden Menschen "gerne" auf alle Arbeitnehmerrechte verzichten? Foto: Vogler / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – „Es kann nicht sein, dass Selbstständige gegen ihren Willen zu Beschäftigten gemacht werden“, sprach Johannes Vogel, stellvertretender Vorsitzender der FDP. Gemeint waren die vielen Lieferfahrer, die bei Wind und Wetter für einen Hungerlohn auf dem Fahrrad unterwegs sind, um Zeitgenossen wie Johannes Vogel seine Pizza oder seine Hamburger zu bringen. Die Vorstellung, dass diese Lieferfahrer gerne „selbstständig“ seien, zeigt nur, dass Herr Vogel keine Ahnung hat, wie das Leben auf dem Fahrrad wirklich aussieht. Die Unternehmen zahlen keine Sozialabgaben, die Fahrer in ihren prekären Arbeitsverhältnissen haben keinerlei Anspruch auf Sozialleistungen wie Krankenversicherung, Kündigungsschutz, Renten oder Arbeitsschutz. Zu glauben, dass diese Arbeitnehmer freiwillig und gerne „selbstständig“ sind, ist so realitätsfremd, dass man sich fragt, ob Herr Vogel schon einmal ernsthaft über das Thema nachgedacht hat. Wahrscheinlich nicht.

Dass diese Lieferfahrer nicht schon längst den Status eines normalen Beschäftigten haben, ist in erster Linie Deutschland geschuldet, das sich mit Händen und Füssen dagegen wehrt, dass dieses „moderne Sklaverei-System“ abgeschafft wird. Doch nun sieht es so aus, als sollte sich die Mehrheit der EU-Staaten durchsetzen können und man erwartet, dass das Europäische Parlament für die Abschaffung dieser „Selbstständigkeit“ stimmt, die gar keine ist. Zwar sieht Johannes Vogel in diesem Vorhaben immer noch „einen Angriff auf alle Selbstständigen in Europa“, doch viel falscher als der Mann kann man gar nicht liegen.

Die Arbeitnehmer, die Tag für Tag und unter allen Witterungsbedingungen Essen ausfahren, haben weder einen Kündigungsschutz, noch einen Anspruch auf irgendwelche Arbeitnehmerrechte und sie mit anderen, „echten Selbstständigen“ zu vergleichen, ist geradezu hanebüchen.

Doch nun zeichnet sich im dritten Anlauf ab, dass sich eine Mehrheit für die Abschaffung dieser „Scheinselbstständigkeit“ findet und ganz am Ende der Niedriglohn-Skala ein wenig Bewegung in die Szene kommt. Das sind natürlich für die UberEat, Gorilla, Bolt und wie sie alle heißen, richtig schlechte Nachrichten, denn künftig werden sie einen Teil ihrer Gewinne in Sozialabgaben stecken müssen, wenn sie weiterhin ihre Dienste anbieten wollen.

Für die Lieferfahrer ist das eine sehr gute Nachricht, denn künftig gilt in dieser Branche nicht mehr das amerikanische „Hire and Fire“, ohne dass die Beschäftigten ein wie auch immer geartetes soziales Netz hätten und wenn man genau hinschaut, ist das aktuelle System nichts anderes als Betrug an den Sozialsystemen. Dass dies ein „Geschäftsmodell“ sein soll, das auf den Schultern der schwächsten Glieder dieser Kette basiert, ist nicht länger akzeptabel.

Erstaunlich ist, dass diese Verbesserung des Arbeitsverhältnisses zwischen Lieferfahrern und Arbeitgebern so lange von Deutschland verhindert wurde. In der aktuellen Abstimmung enthielt sich Deutschland der Stimme, da es zwischen den beiden Ampel-Parteien FDP und SPD keinen gemeinsamen Nenner gab. Nun aber sieht es so aus, dass vorbehaltlich der Abstimmung im Europäischen Parlament, eine Lösung für diese Arbeitnehmer gefunden wird, die alles, aber nicht „selbstständig“ sind. Solche Regelungen sollte es möglichst auch in anderen Branchen geben, nicht zuletzt im Journalismus, der inzwischen zu weiten Teilen auf „freie Mitarbeiter“ setzt, die häufig so viel oder mehr als ihre angestellten Kollegen arbeiten, aber sämtliche Sozialabgaben selber tragen müssen.

Deutschland sollte sich schämen, diese Menschen in prekären, sklavereiähnlichen Arbeitsverhältnissen belassen zu wollen. Doch zum Glück gibt es Europa, das sich nun dieses Themas annimmt.

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