Eine Demonstration versickert im Sande

Demo mit OB. Foto: Bicker

Stell dir vor es ist Demo, und kaum einer geht hin. So etwa lief es am Samstagnachmittag in Freiburg. Eine Datenschutzaktivistin mit dem Tarnnamen „Lakuka Ratscha“ hatte im Internet dazu aufgerufen, gegen allgegenwärtige Überwachung und Datenspeicherung auf die Straße zu gehen. Anlass war der internationale „Data Privacy Day“ am Dienstag zuvor. Den hatten unter anderem die Internetaktivisten von „Stop Watching Us“ angezettelt.

In Freiburg marschierten am Samstag dann mit etwa zwanzigminütiger Verspätung rund fünfzig Demonstranten los, um entlang der Konsummeile Kaiser-Josef-Straße auf den millionenfachen Missbrauch von Überwachungsdaten aufmerksam zu machen. Es gab ein paar Trommeln und Trillerpfeifen, einige Sonnenbrillen und Schals und die üblichen Fahnen der politischen Ortsverbände von Piraten und Linken, die sich eingeklinkt hatten. Großes Interesse rief das allenfalls bei den etwa dreißig Einsatzkräften der Polizei hervor, die den Zug begleiten mussten oder im Hintergrund auf irgendwelche Ausschreitungen warteten, die dann erwartbarerweise nicht eintraten.

Am 13. April des Vorjahres 2013 hatte es in Freiburg fast zeitgleich zwei Demonstrationen gegen Mietwucher und für höhere Reichtumbesteuerung gegeben – zu denen noch weniger Teilnehmer erschienen waren. Finden die Themen der Masse die Masse nicht mehr? Oder sind Demos als Stilmittel der Willensbildung politisch veraltet?

Am Samstag erklärte ein Demonstrant sein Motiv so: „Meine Eltern sind 1988 aus der DDR ausgereist, um einen Überwachungsstaat zu verlassen. Und nun wird das Gleiche hier gemacht. Dagegen gehe ich jetzt auf die Straße. Es kann nicht sein, dass auch ich das Land verlassen muss wegen der Überwachung und unserer Regierung.“ Ein anderer sagte: „Mir ist es wichtig, die Privatsphäre und die Bürgerrechte zu schützen. Dazu gehören Datenschutz, keine Vorratsdatenspeicherung und auch keine anlasslose Überwachung der Bürger. Das muss alles aufhören.“

Wenn das Anliegen so breit und so verfassungskonform ist – warum waren dann so wenige Teilnehmer gekommen? Die junge Frau, die alles organisiert hatte, und auf polizeiliche Anweisung kurz vor dem Start noch zwei Mitstreitern braunes Packpapierband um den Arm wickelte, auf das sie „Ordner“ gekritzelt hatte, meinte dazu: „Wenn man sich ein Bein bricht, tut es weh. Aber wenn man angeschaut wird und das vielleicht gar nicht merkt, dann tut es nicht weh. Ganz Viele fühlen sich einfach noch nicht genug bedroht von dieser Überwachung.“

Für ‘Lakuka Ratscha’ aber ist der Leidensdruck schon jetzt groß genug: „Ich habe diese Demo angemeldet, weil ich mir nicht länger in die Karten schauen lassen will. Die Privatsphäre ist enorm gefährdet, weil irgendwelche Leute dauernd irgendwelche Vereinbarungen treffen, mit denen sie sich das Recht herausnehmen, mich zu überwachen. Ich fühle mich beobachtet, und das stört mich. Das verletzt meine Rechte, deshalb gehe ich dagegen auf die Straße.“ Konkrete Beispiele? „Hier in Freiburg gibt es viele Kameras, die auf Passanten zielen, um die Umgebung zu überwachen. Dann natürlich dieses Prism-Programm, von dem Snowden berichtet, Handy-Ortungen, Profilerstellungen über Freunde, Familien, Finanzen, unseren Krankheitszustand – die wissen alles.“

Eine Frage noch: Sind Sie bei Facebook? „Ja, aber unter falschem Namen und mit falschen Daten und mit einer anonymisierten IP-Adresse. Leider Gottes ist Facebook immer noch das Medium, über das man die meisten Leute erreicht. Und das nutze ich halt für meinen Aktivismus.“

Videolink „Stop Watching Us“ / Info “Data Privacy Day

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