III. Weltkrieg oder nicht?

Dr. Markus Reisner ist Oberst des Generalstabs des österreichischen Bundesheers und ausgewisener Militärexperte. Ein Top-Historiker des Kriegs. Seine Analyse der Lage in der Ukraine ist verheerend.

Dr. Markus Reisner ist Leiter der Theresianischen Militärakademie Wien, einer Kaderschmiede des österreichischen Bundesheers. Foto: Uschi Seidinger / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die westliche Welt steht vor einer schwierigen Entscheidung, wenn man Dr. Markus Reisner glaubt. Der Oberst des Generalstabs des österreichischen Bundesheers ist Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung an der Theresianischen Militärakademie in Wien, der Kaderschmiede des österreichischen Bundesheers und ausgewiesener Experte für: „Unbemannte Waffensysteme, Robotik und Künstliche Intelligenz“, „Taktische und operative Lehren aus der Militärgeschichte“, „Militärisches Führungsverhalten“ und „Disruptive Ereignisse (z. B. Blackout) und deren Folgen“ und verschiedene andere Themenbereiche. Für das Bundesheer erklärt Dr. Markus Reisner auf dessen YouTube-Kanal den technischen Part des Ukrainekriegs, nüchtern und in einfacher Sprache (allerdings auf Englisch). Die aktuelle Einschätzung der Lage in der Ukraine dieses Experten ist mehr als beunruhigend.

Für Dr. Reisner tritt der Westen selbst „mit der Waffe in der Hand“ in den Krieg ein, oder aber man akzeptiert, dass Russland die Ukraine besiegt. Für den technischen Experten des Kriegs, der die Lage völlig emotionslos bewertet, Waffensysteme und deren Verfügbarkeit und Einsatzmöglichkeiten vergleicht und damit einschätzen kann, wer diesen Krieg militärtechnisch für sich entscheiden kann. Und das wären nicht die Ukrainer, sagt Dr. Markus Reisner, es sei denn, der Westen liefert massiv schwere Waffen und greift mit eigenen Truppen in diesen Krieg ein. Und das wäre nichts anderes als der III. Weltkrieg.

Diese Betrachtungsweise bewertet natürlich nur den militärischen Aspekt eines Kriegs, der mehr Facetten als nur die militärische hat. So fordert die Welt Russland auf, die Nahrungsmittelversorgung wieder zuzulassen, völlig unbeteiligte Länder auf anderen Kontinenten bewegen sich auf Hungersnöte zu, und selbst im Westen führen die Folgen dieses Kriegs bereits nach vier Monaten zu sozialen Spannungen und existentiellen Sorgen bei Menschen, die ohnehin unter angespannten Situationen leben. Da ist es wenig beruhigend, dass Minister zum Schnellduschen und Ansparen eines Finanzpolsters für „eventuelle Energie-Nachzahlungen“ raten. Wie sollen denn rund 20 % der Bevölkerung „Finanzpolster“ ansparen, wenn sie ab dem 25. des Monats nicht mehr wissen, wie sie die Familie durchbringen können?

Doch all diese Aspekte reflektiert die technische Kriegs-Analyse von Dr. Markus Reisner nicht (was auch nicht ihre Aufgabe ist) und das macht sie umso beunruhigender. Denn die Realitäten auf dem Schlachtfeld sehen übel aus für die Ukraine. Die Ankündigungen der „Befreiung ukrainischer Städte“ durch Präsident Selensky sind Durchhalteparolen und Propaganda. Militärisch kann dieser Krieg nur durch das Eingreifen westlicher Truppen gewonnen werden, also nur durch die NATO, was eigentlich gar nicht geht. Es sei denn, einzelne Länder erliegen dem galoppierenden Kriegswahnsinn und steigen mit ihren Truppen „im Alleingang“ in das Kriegsgeschehen ein. Alleine kann die Ukraine diesen Krieg also nicht gewinnen und selbst die russischen Kessel um die Städte im Donbass können nur vermieden werden, wenn sofort schwere Waffensysteme geliefert werden.

Eine weitere Ebene, die Dr. Markus Reisner in seiner militär-technischen Analyse nicht berücksichtigen kann, sind die diplomatischen Aspekte dieses Kriegs. Die diplomatische Ebene ist zwar momentan nicht nur eingefroren, sondern wird von den Protagonisten auf beiden Seiten täglich weiter belastet. Die russische Propaganda mit ihrem realitätsverzerrten Narrativ vom Westen, der das arme Russland mit Krieg überzieht veranlasst die Medwedews, Lawrows, Peskow & Ko. zu unglaublich höhnischen und aggressiven Kommentaren, doch auf ukrainischer und westlicher Seite ist die Kommunikation nicht weniger martialisch. Hier müssen die Anstrengungen verzehnfacht werden, hier müssen alle Kräfte, vom Europarat und den anderen europäischen Institutionen bis hin zu den Kirchen, gemeinsam auf Russland einwirken und auch Selensky auffordern, an Gesprächen beispielsweise zum vierstufien italienischen Friedensplan teilzunehmen.

Nach der Erfahrung von zwei Weltkriegen im letzten Jahrhundert kann die Option nicht III. Weltkrieg lauten. Alle, aber auch alle Mittel müssen eingesetzt werden, diesen seit vier Monaten andauernden Wahnsinn und dessen Eskalation zu stoppen. Zumal die Ukraine diesen Krieg laut Analyse von Dr. Markus Reisner nicht gewinnen kann.

 

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