„Unsere europäische Integration ist sehr aktiv!“

Zum 25. Jahrestag des Beitritts Kroatiens zum Europarat war Außenminister Gordan Grlić Radman in Straßburg. Exklusiv-Interview mit Eurojournalist(e).

Der kroatische Auβen- und Europaminister Gordan Grlić Radman - ein überzeugter Europäer. Foto: Elise Arfeuille / Eurojournalist(e)

(KL) – Gordan Grlić Radman ist überzeugter Europäer, was man bereits an seinem Lebenslauf erkennt. Lange Jahre war er in verschiedenen Funktionen in der Schweiz tätig und ging dann als Botschafter der Republik Kroatien als Botschafter nach Budapest und Berlin. Den Posten als Außen- und Europa-Minister Kroatiens als Nachfolger von Marija Pejčinović Burić übernahm Radman, als diese als Generalsekretärin des Europarats nach Straßburg wechselte. Eurojournalist(e) hatte die Gelegenheit, Minister Gordan Grlić Radman für ein Exklusiv-Interview treffen. Gespräch (in perfektem Deutsch) mit einem überzeugten Europäer.

Herr Minister Radman, Kroatien wurde vor 25 Jahren Mitglied im Europarat. Was hat sich dadurch in Ihrem Land verändert?

Gordan Grlić Radman: Das ist eine schöne Frage! Der Beitritt Kroatiens zum Europarat am 6. November 1996 war die Bestätigung unserer Verbundenheit mit Europa, aber auch der Übereinstimmung unserer Werte mit denen Europas, mit Konzepten wie dem Rechtsstaat, der Menschenrechte, der Pressefreiheit, dem Schutz von Minderheiten und vieler Dinge mehr. Kroatien hat sich zu einer Art Musterland der europäischen Integration entwickelt und hat in diesen 25 Jahren durch die konsequente Anwendung der europäischen Regeln viele Fortschritte gemacht.

Können Sie diese Fortschritte konkreter benennen?

GGR: Natürlich. Unsere europäische Integration bedeutet einerseits, dass wir sämtliche Pflichten übernommen haben, die uns aus den zahlreichen europäischen Abkommen entstehen und dass wir diese sehr schnell in nationales Recht umgesetzt haben. Wir nehmen unsere europäischen Verpflichtungen sehr ernst und haben die europäischen Vorgaben in Bereichen wie der Einhaltung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dem Schutz von Minderheiten, Pressefreiheit und vielen anderen voll erfüllt. Wir haben alle relevanten Protokolle und Zusatzabkommen unterzeichnet und diese ebenfalls umgesetzt. Über 100 europäische Abkommen und 12 Teilabkommen sind von Kroatien in nationales Recht überführt worden und finden damit Anwendung. Und andererseits leisten wir in den europäischen Institutionen einen sehr aktiven, konstruktiven politischen Beitrag.

In welchen Bereichen hat die Mitgliedschaft Kroatiens im Europarat konkrete Auswirkungen für Ihr Land?

GGR: Man darf nicht vergessen, wie sich unsere Region in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Im ehemaligen Jugoslawien waren insbesondere Slowenien und Kroatien mit einer uns damals aufgezwungenen Situation nicht zufrieden. Unsere ersten Ziele waren dementsprechend Freiheit und der Parlamentarismus, die Demokratie.

Die Themen, an denen wir im Europarat sehr aktiv mitarbeiten, sind sehr demokratische Themen: Schutz nationaler Minderheiten, Kampf gegen die Korruption, Kampf gegen häusliche Gewalt und viele mehr. Unser hohes Engagement wird schrittweise fortgeführt – so wird Kroatien am 11. Januar 2023 Mitglied der Euro-Zone und unsere Integration in den europäischen Institutionen geht immer weiter. Ein wichtiger Moment war auch die kroatische Ratspräsidentschaft 2018, oder die Unterzeichnung der Istanbul-Konvention, mit der auch in Kroatien das Bewusstsein für die Probleme der häuslichen Gewalt deutlich gesteigert wurde. In Kroatien wird sehr positiv vermerkt, dass wir heute in den Arbeitsgruppen, Expertengruppen und anderen Foren auf gleicher Augenhöhe mit den europäischen Partnern am gleichen Tisch sitzen.

Und Sie bekommen auch sehr positive Rückmeldungen von den Institutionen, oder?

GGR: Ja, das stimmt. Der Europarat lobt uns geradezu „über den grünen Klee“, was die schnelle und effiziente Umsetzung der europäischen Texte in kroatisches Recht anbelangt, aber auch für unsere Mitwirkung in den Gremien.

Der Brexit hat viele Unsicherheiten in der EU ausgelöst. Wie ist die Stimmung für oder gegen Europa heute in Kroatien?

GGR: Es gibt in Kroatien nur wenige Europa-Skeptiker. Wir sind ein temperamentvolles Volk, das sich sehr für Europa und europäische Themen interessiert und die europäische Politik aufmerksam verfolgt. Die große Mehrheit der Kroaten ist absolut pro-europäisch eingestellt, was allerdings nicht bedeutet, dass europäische Themen nicht auch kontrovers diskutiert werden. Gerade jetzt, wo die „Konferenz über die Zukunft Europas“ läuft, haben wir sehr gute Debatten und einen regen Austausch mit und zwischen der Bevölkerung. Dabei sind die Kroaten sehr realistisch. Wir wissen, dass die EU über keinen Zauberstab verfügt, mit dem die vielen Herausforderungen unserer Zeit gelöst werden können. Dass das institutionelle Europa nicht perfekt ist, ist klar. Doch gibt es für uns keinerlei Alternative zu Europa!

In vielen Ländern wird über die Abschaffung der Einstimmigkeit in der EU diskutiert und über ein föderales Europa, das den kleineren Mitgliedsstaaten mehr Gewicht geben würde. Wie stehen Sie hierzu?

GGR: In der EU brauchen wir vor allem Solidarität. Die Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den Mitgliedsstaaten ist essentiell und auch bei verschiedenen Sichtweisen müssen sich alle um Respekt und Kompromisse bemühen. Kroatien ist heute Mitglied im Europarat und in der EU. Und hier geht es darum, gemeinsam die Zukunft Europas zu gestalten. Wissen Sie, ein dänischer Finanzminister sagte zu diesem Thema einmal: ‘Es gibt zwei Arten von Ländern. Kleine Länder und solche, die sich nicht darüber bewusst sind, dass sie auch klein sind…’ Es ist wichtig, dass alle lernen, wie man zusammen leben und arbeiten kann, allerdings muss man sehr vorsichtig sein, wenn man eingespielte Regeln und Abläufe verändert. Das wichtigste ist, dass wir in Europa weiter an der Einigkeit untereinander arbeiten.

Kroatien ist nicht nur Mitglied des Europarats geworden, sondern einige Jahre später auch der Europäischen Union. Welche Wünsche würden Sie jetzt, kurz vor Weihnachten, an die Union formulieren?

GGR: Kroatien sieht in seiner europäischen Entwicklung große Chancen und an diesen Entwicklungen arbeiten wir aktiv. Wie schon erwähnt, stehen wir kurz vor dem Eintritt in die Euro-Zone und das wir dann die Kroatische Kuna, unsere Währung abschaffen, ist ein großes Symbol. Vor 27 Jahren, als diese Währung eingeführt wurde, hatte sie eine wichtige, Identität stiftende Funktion für unsere junge Republik. Die Einführung des Euro in Kroatien ist ein ebenso starkes Zeichen für unsere Einbindung in Europa. Dazu kommen natürlich praktische Aspekte – künftig hat Kroatien die gleiche Währung wie die meisten Touristen, die ins Land kommen, und das erleichtert vieles.

Dazu erfüllen wir inzwischen alle europäischen Anforderungen, wie uns im Oktober 2020 von den europäischen Institutionen bestätigt wurde, um auch Mitglied des Schengen-Raums zu werden, womit wir noch tiefer in den gemeinsamen Markt integriert werden.

Wünschen würden wir uns, dass wir schnell Fortschritte bei den gemeinsamen Herausforderungen unserer Zeit machen, wie der Sicherung der Außengrenzen der EU und den vielen anderen aktuellen Themen. Nach 25 Jahren der Mitgliedschaft im Europarat und fast einem Jahrzehnt in der EU, stellen wir fest, dass unsere Integration in Europa immer tiefer wird und wir werden weiterhin alles daran setzen, unseren Beitrag zum europäischen Prozess zu leisten.

Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch!

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