Was Sie schon immer zum Thema „Schlichtung & Co.“ wissen wollten… (22)

Heute: Interview mit der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Rita Hagl-Kehl.

Die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Hagl-Kehl und Felix Braun, bei der Einweihung der USS, die Felix Braun leitet. Foto: USS

(KL) – Im Rahmen dieser Serie haben wir Experten aus allen Bereichen der Verbraucherschlichtung zu Wort kommen lassen: Verbraucher*innen, Jurist*innen, Unternehmer*innen, Expert*innen für Schlichtung, Forscher*innen und viele mehr. Zum Abschluss dieser Serie haben wir unsere zusammenfassenden Fragen der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz Rita Hagl-Kehl gestellt. Interview.

Expert*innen aus allen Richtungen – Verbraucher*innen, Unternehmer*innen, hochkarätige Jurist*innen, Leiter*innen verschiedener Schlichtungsstellen national und international, Forscher*innen und andere – einhellige Meinung: die Verbraucherschlichtung ist ein tolles und wichtiges Konzept. Wie zufrieden sind SIE nach den ersten 5 Jahren des VSBG?

Rita Hagl-Kehl: Ich freue mich darüber, dass ein guter Anfang im Bereich der Verbraucherschlichtung gemacht ist und wir in den vergangenen fünf Jahren gemeinsam mit allen Akteuren viel erreicht haben. Natürlich ruhen wir uns darauf aber nicht aus, sondern haben immer im Blick, wie wir die Verbraucherschlichtung noch attraktiver machen und verbessern können. Konkret geht es etwa darum, wie wir die Teilnahmebereitschaft von Unternehmen steigern können. Denn hier ist noch Luft nach oben. Verbraucherschlichtung bietet aus meiner Sicht gerade für Unternehmen Vorteile: Stimmen Unternehmen einem Schlichtungsverfahren zu, machen sie deutlich, dass sie das Anliegen ihrer Kundinnen und Kunden ernst nehmen. Unternehmen können so Kundenbeziehungen erhalten und ihren Service verbessern. Und sie ermöglichen zugleich, dass Verbraucherinnen und Verbraucher eine niedrigschwellige und kostengünstige Lösungsmöglichkeit für den Streitfall erhalten. Das dient der Kundenzufriedenheit, kann die Kundenbindung nachhaltig stärken und kommt damit langfristig dem Unternehmen zugute. Das nenne ich eine echte „Win-Win-Situation“.

Es wurde unter anderem der Wunsch geäußert, dass eine Schlichtung bei der Universalschlichtungsstelle des Bundes (USS) auch von Seiten der Unternehmer mit einem Antrag initiiert werden kann. Ist das in Planung? Wenn ja, wann, wenn nein, warum?

RHK: Ihre Frage verstehe ich so, dass es sich bei dem Antrag, den Unternehmen stellen können sollen, um einen Antrag gegen einen Verbraucher oder eine Verbraucherin handelt. Grundsätzlich begrüßen wir es, wenn die Verbraucherschlichtung von Unternehmen nachgefragt wird. Insofern sind wir gegenüber entsprechenden Initiativen offen. Mit der Universalschlichtungsstelle des Bundes wollen wir aber vor allem sicherstellen, dass für Verbraucherinnen und Verbraucher flächendeckend in Deutschland ein Schlichtungsangebot besteht. Und zwar in den Fällen, in denen es keine unternehmensgetragenen privaten Schlichtungsstellen gibt. Genau zu diesem Zweck wurde die durch Steuern finanzierte Universalschlichtungsstelle des Bundes eingerichtet. Vorrangig soll jedoch die Verbraucherschlichtung von privatrechtlich organisierten Zusammenschlüssen getragen und damit durch Mitgliedsbeiträge oder Fallpauschalen von Unternehmen finanziert werden. Vor diesem Hintergrund steht es Unternehmerinnen und Unternehmer, die die Schlichtung verstärkt nutzen möchten, natürlich offen, selbst aktiv zu werden: Hier könnten im Rahmen einer Kooperation mit einer bereits vorhandenen Verbraucherschlichtungsstelle oder im Zusammenhang mit der Errichtung einer neuen Institution ein Antragsrecht zu Gunsten von Unternehmen geschaffen werden.

Die Trägereinrichtung der USS wird für vier Jahre vom Bundesamt für Justiz mit dieser Aufgabe beliehen. Warum wird diese von allen Seiten gelobte Einrichtung nicht dauerhaft finanziert, sondern die Aufgabe immer wieder neu ausgeschrieben? Fürchten Sie nicht, dass es hier im Falle eines Wechsels zu enormen Kompetenz- und Erfahrungsverlusten kommen kann?

RHK: Wir schätzen die bisherige Arbeit der Universalschlichtungsstelle des Bundes außerordentlich. Das Engagement aller Beteiligten hat innerhalb der kurzen Zeit ihres Bestehens zu einer großen Akzeptanz und einem guten Ruf der Universalschlichtungsstelle geführt.

Bei der Übertragung der ihr zufallenden Aufgabe und der Finanzierung der Einrichtung müssen wir uns aber an vergaberechtliche Vorgaben halten. Dazu gehört es, nach einem gewissen Zeitraum anderen privaten Anbietern ebenfalls die Chance zu geben, sich und ihre Kompetenzen in den Wettbewerb einzubringen.

Die USS hat nicht nur die reine Aufgabe Schlichtungsvorschläge für Streitigkeiten zu unterbreiten, sondern sensibilisiert gleichzeitig die Bevölkerung für dieses recht neue Rechtskonzept UND übt eine wichtige Lotsenfunktion für Verbraucher*innen, die sich im Zweifelsfall in der „Schlichtungs-Landschaft“ nicht auskennen. Wäre es nicht wünschenswert, diese von den anderen Schlichtungsstellen im Verlaufe dieser Serie ausdrücklich gelobte Lotsenfunktion noch weiter zu stärken? Damit könnte zum einen das Konzept der Verbraucherschlichtung noch tiefer in der Gesellschaft zum verankert werden. Und zum anderen die USS zu einem veritablen Navigator auch für andere Konfliktlösungsmechanismen und somit zu einem One-Stop-Shop werden, so dass Verbraucher*innen eine einzige zentrale Anlaufstelle für ihre Konflikte haben?

RHK: Grundsätzlich haben wir bereits jetzt in Deutschland eine breite und gut etablierte Beratungslandschaft mit großer Expertise, die Verbraucherinnen und Verbrauchern zu vielen Themen des Verbraucheralltags als erste Anlaufstellen bei Konflikten mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dazu zählen etwa die zahlreichen unabhängigen und gemeinnützigen Verbraucherverbände und die Verbraucherzentralen.

Die Lotsenfunktion der Universalschlichtungsstelle des Bundes (USS) ist in der Tat sehr erfreulich. Sie stellt für Verbraucherinnen und Verbraucher eine echte Entlastung dar. Daher freuen wir uns, dass wir die USS im Januar 2020 mit dieser neuen Lotsenfunktion ausstatten konnten und sind auf die zukünftige tatsächliche Nutzung dieser Lotsenfunktion gespannt. Bislang haben wir keine Hinweise dafür, die einen Bedarf für einen „One-Stop-Shop“ erkennen lassen. Eine Ausweitung der bestehenden Lotsenfunktion auf andere Konfliktlösungsmechanismen ist derzeit nicht angedacht.

5 Jahre VSBG und USS sind eine echte „Success Story“ – wo wollen Sie mit dem Konzept im April 2026 zum 10. Jahrestag stehen? Welche Entwicklungen sehen Sie in den kommenden Jahren in diesem Bereich?

RHK: Was wir bisher im Bereich der Verbraucherschlichtung erreicht haben, ist in der Tat sehr erfreulich! Ich wünsche mir, dass sich die Schlichtungslandschaft in Deutschland in den nächsten fünf Jahren noch weiter in die eingeschlagene Richtung entwickelt. Hier hoffe ich auf weitere branchenspezifische Verbraucherschlichtungsstellen gerade in Bereichen, in denen viele Verbraucherinnen und Verbraucher immer wieder Ärger haben – beispielsweise im Bereich Miete oder Handwerk. Ich werde mich auch weiterhin dafür einsetzen, dass Unternehmerinnen und Unternehmer die Verbraucherschlichtung in Zukunft als DAS Mittel für eine fachlich fundierte, neutrale, unbürokratische und kostengünstige Beilegung ihrer Konflikte mit Kundinnen und Kunden sehen und bei Streitigkeiten darauf zurückgreifen.

Mit Einführung der Universalschlichtungsstelle des Bundes zum 1. Januar 2020 haben wir auch die finanziellen Hürden für Unternehmerinnen und Unternehmer gesenkt: Gebühren für Streitigkeiten mit einem kleinen Streitwert (bis 100 EUR) haben wir halbiert. Ich bin ganz zuversichtlich, dass diese Maßnahmen und vor allem auch die wirklich sehr gute und allseits geschätzte Arbeit der Universalschlichtungsstelle des Bundes selbst dazu führen werden, dass wir die Teilnahmebereitschaft der Unternehmen – und auch die bislang noch steigerungsfähige Einigungsquote der Universalschlichtungsstelle des Bundes – erheblich erhöhen können.

Auch kann ich mir gut vorstellen, dass die fortschreitende Digitalisierung dazu beitragen wird, die Verbraucherschlichtung noch effizienter und kostengünstiger zu organisieren. Das würde aus meiner Sicht auch zu einer gesteigerten Attraktivität und Nutzung der Verbraucherschlichtung führen. Ich wünsche mir, dass die Verbraucherschlichtung in fünf Jahren einen festen Platz in der Streitbeilegungslandschaft hat und daraus nicht mehr wegzudenken ist.

Frau Staatssekretärin, vielen Dank für Ihre Antworten!

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