„Arbeitet gefälligst mehr!“

Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Michael Hüther hätte gerne, dass die Deutschen mehr arbeiten und weniger fordern. Der Kapitalismus pfeift auf dem letzten Loch…

Damit er mehr Dividenden kassieren kann, sollen alle länger arbeiten? Öh, nein danke... Foto: Frank Vincentz / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Der Kapitalismus frisst sich gerade selber auf, doch diejenigen, die am Ruder sind, hätten gerne, dass die Arbeitnehmer die Zeche für das Versagen des mittlerweile überholten Systems bezahlen. Und dafür sollten sie, so der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Michael Hüther, eben länger arbeiten. Denn anders kommen die Aktionäre nicht mehr zu ihren hart erschufteten Dividenden und das ist ja immer wichtiger als korrekte Tarifabschlüsse oder das Schreckgespenst der deutschen Wirtschaft, die 4-Tage-Woche. Die, so Hüther, sollte man ganz schnell wieder vergessen.

„Die Deutschen müssen wieder mehr leisten“, schmettert Michael Hüther in die Debatte, denn siehe, selbst in Schweden oder der Schweiz arbeitet man inzwischen mehr Stunden als in Deutschland – in beiden Ländern ganze 300 Stunden mehr pro Jahr. Dass sich diese Mehrarbeit nicht unbedingt in einer gesünderen Volkswirtschaft niederschlägt, das ist egal. Aber es kann ja wohl nicht angehen, dass deutsche Arbeitnehmer weniger arbeiten als die Schweizer und die Schweden und damit den Aktionären einen Teil der ihnen zustehenden Dividenden vorenthalten! Wo kommen wir denn da hin?!

Was Michael Hüther Sorgen macht, ist das Goldene Kalb des Kapitalismus, das Wachstum. Denn das ganze System beruht auf dem Konzept des Wachstums, denn ansonsten lohnt sich die Spekulation an der Börse nicht. „Ohne die Arbeitszeitverlängerung wären in den nächsten Jahren bestenfalls noch Wachstumsraten von 0,5 bis 0,75 Prozent möglich. Und die Inflation würde über Jahre bei drei bis dreieinhalb Prozent liegen“, prognostiziert Hüther und man spürt förmlich, dass der Mann und die „Märkte“ nervös werden.

Je schneller die Akteure dieser Märkte merken, dass das Zeitalter des Finanz- und Wild West-Kapitalismus vorbei ist, desto besser. Denn die aktuellen Systeme führen zu nicht mehr oder weniger als der Zerstörung unseres Lebensraums, schaffen soziale Ungleichheiten, die kurz vor der Explosion stehen und führen letztlich auch in Kriege, wie wir es momentan erleben. Insofern ist an diesem System nichts Schützenswertes, schon gar nicht durch individuelle Mehrarbeit, wie es sich Michael Hüther wünscht.

Die Menschen haben heute andere Sorgen als die Dividenden für Millionäre und Milliardäre. Das Wachstum von Unternehmen, die ihre Verluste sozialisieren, ihre Gewinne aber alleine in die Tasche stecken, dürfte momentan die geringste Sorge der Arbeitnehmer sein.

Auch, wenn das Herrn Hüther nicht so richtig in den Kram passen wird – diejenigen Volkswirtschaften, die sich am schnellsten auf eine geänderte Welt einstellen können, werden am besten durch die aktuellen und kommenden Krisen kommen. Diejenigen, die mit dem Argument „aber das haben wir doch schon immer so gemacht“ versuchen, den Status Quo möglichst lange aufrecht zu erhalten, werden untergehen. Also sollte man den Vorschlag des IW, die Deutschen mögen doch mehr arbeiten, getrost zu den Akten legen. Denn die Gesellschaft von morgen kann nicht mehr einzig und allein auf die Gewinnmaximierung für die Superreichen ausgerichtet sein.

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