Auch das noch…

Gespaltene Reaktionen in Frankreich nach der Änderung des Buchtitels „10 kleine Negerlein“ von Agatha Christie in „Und dann gab es keines mehr“. Zuviel „political correctness“?

Sie müssen es nicht vor sich hinträllern - dieses "Kinderlied" ist tatsächlich zum Vergessen. Foto: Thirunavukkarasye Raveendran / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-4.0int

(KL) – Die einen sehen die Freiheit der Kunst bedroht, die anderen sehen einen sprachlichen und diskriminierenden Anachronismus ausgemerzt und wieder andere finden die Diskussion nervig. Agatha Christie’s, auf dem Schüttelreim „10 kleine Negerlein“ basierendes Buch gleichen Namens ist nun umgetauft worden, in „Und dann gab es keines mehr…“. Wieder so ein Ding der Sprachpuristen, könnte man denken, doch dann lohnt sich der Blick auf beide „Werke“, auf den Schüttelreim und das Buch von Agatha Christie.

Bereits der Schüttelreim ist beim Durchlesen des Textes ein Alptraum. In fröhlichen Reimen wird vom gewaltsamen Ableben von 10 kleinen Negerlein berichtet, also von Kindern, die erschossen, erschlagen, gefressen und vergiftet werden, in einem Ton, als sei der Tod eines dunkelhäutigen Kinds etwas fast witziges, unbedeutendes. Interessant ist der Vergleich mit der englischen Version, die auch der Buchtitel der großen Krimiautorin war. Im Englischen heißen Schüttelreim und Buch „10 little niggers“. Zwischen beiden Sprachversionen gibt es dann auch große Unterschiede in den Todesarten, die man den Kindern andichtet – offenbar waren die Phantasien Ende des 19. Jahrhunderts sehr vielfältig, wenn es um den Tod dunkelhäutiger Kinder ging.

Wenn man den Text dann durchgelesen hat, idealerweise auch noch in anderen Sprachen, dann versteht man, wieso der Ur-Enkel von Agatha Christie namens James Prichard die Rechte an dem Werk geltend machte und die Titeländerung durchsetzte. Sein Argument war nachvollziehbar. Seine Ur-Großmutter habe niemanden verletzen wollen, als sie den Titel des Schüttelreims für ihr Buch verwendete. Aber im Jahr 2020, als wir von Floyd George und Rassenunruhen in den USA sprechen und sich auch in Europa Übergriffe auf dunkelhäutige Menschen mehren, ist ein Titel wie „10 little niggers“ einfach nicht mehr zu verwenden. Und schon gar nicht, wenn der Hintergrund schaurige Phantasien sind, wie man dunkelhäutige Kinder zu Tode bringt.

Dazu ist die ganze Aufregung eigentlich überflüssig – denn diese Titeländerung hat bereits in fast allen Ländern der Welt bereits vor vielen Jahren stattgefunden. Frankreich gehört zu den letzten Ländern, die dem Wunsch des Ur-Enkels und vor allem dem übermittelten Wunsch der Autorin entspricht und diese Titeländerung durchführt.

Tun sie es sich an und lesen Sie den kompletten Originaltext dieses Schüttelreims (scrollen Sie nach unten, bis sie die deutsche und englische Version auf dem Bildschirm haben) – je schneller dieser in Vergessenheit gerät, desto besser…

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