Das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer geht weiter

Das Rettungsschiff „Louise Michel“ wurde am Samstag von den italienischen Behörden auf Lampedusa festgesetzt. Das Vergehen der Besatzung – sie hat zuviele Menschen aus Seenot gerettet.

Die "Louise Michel" ist momentan zum Nichtstun verdammt. Foto: DerPetzi / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Kämen die afrikanischen Flüchtlinge nicht übers Mittelmeer nach Europa, sondern aus der Ukraine, würde man sie bei der Ankunft mit offenen Armen empfangen. Das wäre gut und richtig. Aber sie kommen eben nicht aus der Ukraine, sondern aus Afrika und deshalb sind sie in Europa nicht willkommen. Für die EU ist es am bequemsten, wenn diese Menschen bereits auf dem Weg nach Europa ertrinken, damit wir ja nichts von unserem Wohlstand mit Menschen, die nicht blond und blauäugig sind, teilen müssen. Dass das rechtsextrem regierte Italien alles tut, um die Rettung dieser Menschen zu erschweren, ist nichts Neues. Schändlich bleibt es trotzdem. So schändlich wie das Festsetzen der Rettungsschiffe in italienischen Häfen, weil sich diese Schiffe und ihre Crews gelegentlich über sinnlose Vorschriften hinwegsetzen, mit denen das Retten von Menschen in Seenot erschwert wird.

Dieses Mal hat es die „Louise Michel“ erwischt, ein deutsches Rettungsschiff, das am letzten Samstag mit 180 geretteten Flüchtlingen an Bord auf Lampedusa einlief. Diese hatte die Crew an vier verschiedenen Stellen aus dem Meer gerettet und genau das war das „Problem“. Denn ein neues Gesetz der rechtsextremen italienischen Regierung schreibt vor, dass Rettungsschiffe nach einem Einsatz sofort einen Hafen anzusteuern haben, statt auf der gleichen Fahrt mehrere Rettungseinsätze durchzuführen. Dass man es auf der „Louise Michel“ vorzog, eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, dafür aber 180 statt 20 Menschenleben zu retten, verdient Anerkennung und keine Strafe wie das Festsetzen des Schiffs.

So zynisch diese italienische Vorschrift auch ist, so muss man festhalten, dass die EU als „Einheit“ einmal mehr nicht auf der Höhe ist. Italien liegt nun einmal direkt gegenüber der nordafrikanischen Küste und die Migrationsbewegung geht natürlich ans nächstgelegene europäische Festland. Und hier lassen die 27 EU-Staaten Italien weitestgehend allein. Wenn nun eine kleinen Insel wie Lampedusa eine Flüchtlingswelle erlebt, wie in der letzten Woche, als innerhalb von 48 Stunden 3000 Migranten auf Lampedusa ankamen, dann liegen bei Küstenwache und anderen Behörden die Nerven blank und es kommt zu inhumanen und eigentlich sehr uneuropäischen Situationen und Handlungsweisen.

Die italienische Küstenwache sagt, dass der „Louise Michel“ nach deren erstem Einsatz auf dem Meer ein Hafen auf Sizilien zugewiesen worden war, um die vor Libyen aufgenommenen Flüchtlinge dort an Land zu bringen. Nur, die Hilfsorganisationen berichten von Dutzenden Flüchtlingsbooten, die sich gerade auf dem Mittelmeer befinden und von denen viele in Seenot sind – was auf dem Mittelmeer ein Todesurteil ist, wenn keine Rettung kommt. Da können Behörden nicht erwarten, dass ein Seenotrettungsschiff auf Mission auf hoher See an Menschen vorbeifährt, die in Lebensgefahr schweben.

Nur – mit gegenseitigem Verständnis für die italienischen Behörden einerseits und die Rettungsteams andererseits kommt man auch nicht weiter. Das Behindern von weiteren Rettungsmissionen, bei denen Menschenleben gerettet werden, durch das Festsetzen der „Louise Michel“, ist inakzeptabel – die EU muss sich darum kümmern, dass Flüchtlinge, die in Italien und anderen Mittelmeer-Ländern ankommen, auf alle 27 Mitgliedsstaaten verteilt werden. Länder, die sich nicht an den Schlüssel halten, erhalten so lange keine Gelder mehr aus Brüssel, bis sie nachweislich ihr Soll erfüllt haben. Anders geht es nicht. Und es geht eben auch nicht, Italien und die anderen Mittelmeer-Anrainer mit diesem Problem alleine zu lassen – für Flüchtlinge aus Afrika müssen die gleichen Regeln gelten wie für Flüchtlinge aus der Ukraine.

Wie lange die „Louise Michel“ nun auf Lampedusa festsitzt, ist noch nicht bekannt. In vergleichbaren Fällen verhängten die italienischen Behörden eine Strafe von 10.000 Euro und die Immobilisierung des Schiffs für 20 Tage. 20 Tage, an denen wieder eine unbekannte Anzahl Menschen im Mittelmeer ertrinken werden, Männer, Frauen und Kinder, bei dem Versuch Europa zu erreichen, den Hort der Menschenrechte. Die EU muss agieren. Jetzt.

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