Die Grenze der europäischen Schande – das Mittelmeer

Immer mehr Flüchtlinge aus Afrika strömen nach Europa. Der Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex rechnet für den Sommer mit Rekordzahlen.

Diese Flüchtlinge aus Afrika hatten "Glück" - sie schafften es lebend nach Lampedusa. Und dann? Foto: Vito Manzan / Wikimedia Commons

(KL) – Das Thema der Flüchtlinge, die scharenweise nach Europa flüchten, lässt sich nicht alleine durch Polizei- und Zollpräsenz und Vorschriften aus Brüssel lösen. Die Zahlen explodieren – bis April wurden bereits dreimal mehr Flüchtlinge aufgegriffen als im selben Zeitraum des Vorjahrs. In diesen vier Monaten wurden 42.000 Flüchtlinge aufgegriffen – ohne diejenigen mitzuzählen, denen die Flucht glückte oder die ihr Leben bei der Überfahrt verloren.

In Europa versteht man die Flüchtlinge aus Afrika nicht, was auch deshalb seltsam ist, weil die Geschichte Europas auch eine Geschichte der Völkerwanderungen ist. Und was war bitteschön eine solche Völkerwanderung anderes als eine Massenflucht von „Wirtschaftsflüchtlingen“? Alleine die Unterscheidung zwischen politischer Verfolgung und der Flucht vor dem Hungertod ist zynisch. Jemand, der sich und seine Familie nicht ernähren kann, wird alles daran setzen, das Leben seiner Familie zu retten. Ein geradezu edler Grund für eine Flucht, während der deutsche Michel vor seinem vor Fett triefenden Brathähnchen sitzt und arrogant festlegt, wessen Fluchtgründe wir korrekt finden und welche nicht. Wer sind wir nur, so über Leben und Tod anderer zu entscheiden?

Ebenso zynisch ist die Position des Kandidaten für die Präsidentschaft der EU-Kommission Jean-Claude Juncker. „Wir müssen überlegen“, erklärte er im TV-Duell, „wie wir die Lebensbedingungen in diesen Ländern so verbessern, dass die Menschen keinen Grund mehr haben zu fliehen.“ Was zunächst gut klingt, entpuppt sich beim zweiten Hinsehen als geradezu unverschämt. Denn diese „Überlegungen“ stellen die Europäer und der Rest der Welt seit Jahrzehnten an, ohne dass sich daraus Aktionen ergeben würden.

Im Gegenteil – die westlichen Regierungen arbeiten gut und gerne mit jedem noch so abscheulichen Diktator zusammen, lassen Genozide zu, verhökern im Rahmen von „Entwicklungshilfe“ überholte Industrieprodukte, verkaufen Waffen in Krisengebiete und schlagen somit aus dem Elend der Dritten Welt auch noch finanzielle Vorteile. All das sollte Kandidat Juncker eigentlich wissen, weswegen er sich solche hohlen Vorschläge auch sparen könnte.

Will man wirklich den Menschen helfen, ihre Lebensbedingungen in ihren Ländern zu verbessern, dann gibt es eigentlich nur den Vorschlag, den zuletzt viele Gruppen gemacht haben. Dieser sieht vor, generell und grundsätzlich alle Grenzen weltweit zu öffnen und eine weltweite Freizügigkeit einzuführen. „Was glauben Sie“, fragt ein Militant der Gruppe „Occupy“, „wie schnell der Westen in Afrika investieren würde, um dort wirklich lebenswerte Umstände zu schaffen?“

Das Drama nur bürokratisch zu verwalten reicht nicht aus. Wer menschenwürdige Lebensumstände will, muss aufhören, mit korrupten Diktatoren zusammenzuarbeiten. Wären Saddam Hussein und Muamar Gaddafi nicht gestürzt worden, würden unsere Länder immer noch mit ihnen arbeiten und ihnen vor allem weiter Waffen verkaufen. Insofern sollte man auch einräumen, dass auch unsere „zivilisierte“ Gier mit dafür verantwortlich ist, dass Heerscharen verzweifelter, verfolgter, hungernder und vergewaltigter Menschen ihre letzte Chance darin sehen, ihre Heimat zu verlassen.

Dies ist natürlich Öl auf den Mühlen fremdenfeindlicher und rassistischer Kräfte, die uns, ebenfalls sehr zynisch, Parolen wie „Das Boot ist voll“ zutexten. Dass das Boot voll ist, dass wissen die Flüchtlinge vor Lampedusa vermutlich besser als jeder Politiker, der zu diesem Thema Krokodilstränen vergießt.

Ob es Europa, Asien und den USA passt oder nicht – wenn unsere tolle westliche Zivilisation nicht von Flüchtlingswellen überrollt werden soll, dann führt kein Weg daran vorbei, Geld in die Hand zu nehmen und wirklich die Lebensumstände der Menschen in diesen Ländern zu verbessern. Nicht mit wohlfeilen Absichtserklärungen, sondern mit konkreten Projekten.

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