Die übliche Empörung reicht nicht mehr

Nach einem neuerlichen, brutalen Mord an einer Ehefrau im Elsass, die mehrfach Klage gegen ihren gewalttätigen Mann eingereicht hatte, reichen die üblichen Empörungsrituale nicht mehr aus.

Wenn es so weit kommt, muss sofort eingegriffen werden - und das Opfer Hilfsangebote erhalten. Foto: Senado Federal / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Die Situation ist die gleiche in Deutschland wie in Frankreich. Der gefährlichste Platz für eine Frau ist die eigene Wohnung oder das eigene Haus, wo ihnen statistisch mehr Gewalt und Gefahren drohen als selbst im Straßenverkehr. Der Fall in Oberhoffen-sur-Moder, wo am Wochenende eine Frau von ihrem Noch-Ehemann brutal erstochen wurde, ist besonders schlimm, denn das Opfer hatte bereits mehrfach Klage gegen den gewalttätigen Mann eingereicht und während ihre Tochter zur Tatzeit aus einem Nachbardorf herbeieilte, trudelte die Polizei eine halbe Stunde später ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Frau bereits tot.

Doch was sollen Frauen tun, die Opfer häuslicher Gewalt werden? Klage einreichen, denkt man sofort. Doch was passiert bei der Polizei, wenn eine Frau dort Klage einreichen will? Häufig berichten die Frauen von achselzuckenden Polizisten, die sich weigern, eine Klage überhaupt aufzunehmen, von verhörartigen Situationen, in denen ungeschulte Polizisten mit so großartigen Tipps aufwarten, wie doch einfach die gemeinsame Wohnung zu verlassen. Als ob es so einfach wäre.

Es ist aber nicht so einfach. Denn in vielen Fällen sind bei Paaren, in denen der Partner gewalttätig ist, die Rollen klar verteilt. Der Mann ist der Chef, der Mietvertrag läuft auf seinen Namen, er hat die Hand auf dem gemeinsamen Konto und auch das Auto gehört ihm. In einer solchen Situation ist es oft schlicht unmöglich, dass sich ein Opfer von Gewalt einfach davonmachen kann – vor allem dann, wenn es Kinder im gemeinsamen Haushalt gibt. Der Tipp „dann ziehen Sie doch einfach aus!“ ist im Grunde wie ein erneuter Schlag ins Gesicht der Opfer, die oft das Gefühl haben, dass solange der Täter nicht zugeschlagen hat, die Polizei nicht eingreifen wird. Und wenn sie dann kommt, dann ist es zu spät.

Es müssen schleunigst neue Maßnahmen zum Schutz der Opfer getroffen werden und hier ist der Gesetzgeber gefordert. So muss es zum Standard werden, dass bei Anzeigen häuslicher Gewalt der Aggressor sofort Platzverbot für die gemeinsame Wohnung erhält und dass dieses mit einer Zero-Tolerance-Einstellung auch durchgesetzt wird. Bereits beim ersten Verstoß gegen ein solches Platzverbot muss der Aggressor eingesperrt werden, denn wenn dies nicht geschieht, ist das wie eine Aufforderung, weiterzumachen.

Es wird auch viel diskutiert, ob nicht die Strafen für diese „häuslichen Mörder“ verschärft werden sollen. Doch das wird keinen dieser Mörder von seiner Tat abhalten – ein Bericht der Vereinten Nationen stellt fest, dass 82 % dieser „Ehemorde“ vor dem Hintergrund einer Trennung erfolgen, die der Mann nicht verkraftet hat. In einer solch gestörten Gemütsverfassung dürfte es einem Mörder relativ egal sein, ob er nun 8 oder 12 Jahre ins Gefängnis muss. Der Staat darf nicht erst eingreifen, wenn das Schlimmste passiert ist, sondern er muss sein Handeln darauf ausrichten, das Schlimmste zu verhindern und den (potentiellen) Opfern jede nur erdenkliche Hilfe angedeihen lassen.

So gibt es nach wie vor viel zu wenig Plätze in Frauenhäusern, es werden nach wie vor die finanziellen Unterstützungen gekürzt, und die Arbeit dieser lebensrettenden Einrichtungen wird lange nicht so gefördert und gewürdigt, wie es der Fall sein müsste. Hier muss Geld investiert werden, die Gesetzeslage muss zugunsten der potentiellen Opfer geändert werden und die Polizei muss ganz anders für diese Thematik geschult werden. Erst dann aktiv zu werden, wenn das Opfer tot ist, wie in Oberhoffen-sur-Moder geschehen, ist keine Lösung. Der Umstand, dass das Opfer gleich mehrfach Klage eingereicht hat, von Morddrohungen berichtete und schließlich nicht einmal während und unmittelbar nach der Tat Hilfe erhalten hat, ist unglaublich. Nach Wochen der Klagen wollte die Polizei den späteren Mörder dann doch im Dezember zur Befragung vorladen. Das kann sie sich nun schenken. Durch das Nichtstun hat die Polizei dazu beigetragen, dass dieser Mord geschehen konnte. Doch wenn die Opfer von der Polizei keine Hilfe erhalten, von wem denn dann?

Und so werden wir uns alle am Wochenende zu einem Trauermarsch zusammenfinden, alle werden fordern, dass dringend etwas geschehen muss und – niemand wird reagieren. Angesichts der anstehenden OB-Wahlen in Frankreich wäre das vielleicht der richtige Zeitpunkt für den einen oder anderen Kandidaten, dieses Thema seriös vorzunehmen und seine Stadt in einen sicheren Ort für die dort lebenden Frauen umzuwandeln. Es wäre höchste Zeit.

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