Die Altenpflege-Katastrophe

Nach dem Skandal in Frankreich um den Pflegeheim-Giganten ORPEA und den Enthüllungen des Teams von Günter Wallraff in Deutschland, kommt man an dem Thema nicht mehr vorbei – wie gehen wir mit alten Menschen um?

Alte Menschen haben ein Recht auf würdevolle und zugewandte Betreuung. Dass man das überhaupt sagen muss... Foto: Andreas Bohnenstengel / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0de

(KL) – Im Grunde wissen wir es seit Jahren, doch so richtig wahrhaben wollte es niemand – Altenpflege-Heime in privater Regie (in Deutschland immerhin 43 % aller Altenpflege-Einrichtungen) sind Geldmaschinen, in denen es mehr auf die Profite der Aktionäre als um das Wohlergehen der (zahlenden) Bewohner und Bewohnerinnen geht. Doch jetzt, wo die genaueren Umstände durch die aktuellen Veröffentlichungen in Frankreich und Deutschland auf dem Tisch liegen, wird man nicht umhinkommen, diese Art der Pflege grundsätzlich zu hinterfragen und neu zu organisieren. Denn so, wie wir mit den alten Menschen in unseren Gesellschaften umgehen, kann es nicht weitergehen.

Rationiertes Essen, unzureichende Pflege, überfordertes (weil nicht ausreichendes) Personal – die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden. Altenpflege-Heime sind häufig nur noch „Parkplätze“ für alte Menschen, die dort dem Tod entgegendämmern. Eine Schande, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner solcher privaten Pflegeeinrichtungen teuer für Dienste bezahlen, die sie oft gar nicht erhalten.

Natürlich sind in der modernen Welt Pflegeeinrichtungen für alte Menschen wichtig, denn zumeist sind Familien nicht mehr in der Lage, die Versorgung der älteren Generationen sicherzustellen, vor allem, wenn ältere Menschen mit Gesundheitsproblemen zu tun haben, was im Alter eben leider fast unvermeidlich ist. Doch müssen wir uns grundsätzlich die Frage stellen, ob es für die Betreuung alter Menschen ein „Business Modell“ geben muss, bei dem die Qualität der Betreuung im Konflikt mit dem Wunsch nach Profiten für die Aktionäre steht. Die Hinwendung für alte Menschen sollte keine „kostenpflichtige Dienstleistung“ sein, sondern ein Grundrecht.

Wer vor der Situation steht, dass ein älterer Familienangehöriger nicht mehr daheim oder in seiner eigenen Wohnung betreut werden kann, ist als erstes eine kompetente Beratung wichtig. Denn wie in fast allen Lebensbereichen gibt es „gute“ und „schlechte“ Einrichtungen und heutzutage ist es relativ einfach, sich entsprechende Bewertungen anzuschauen, eine Vorauswahl zu treffen und dann vor Ort zu überprüfen, ob eine solche Einrichtung für den Familienangehörigen geeignet ist oder nicht.

Dabei sollte der gesunde Menschenverstand zur Anwendung kommen. Besuchen Sie die in Frage kommenden Einrichtungen und nehmen Sie alle Eindrücke auf. Wirken die alten Menschen, die Sie dort antreffen, ausgeglichen, zufrieden, glücklich? Was für organisierte und betreute Freizeitmöglichkeiten gibt es? Gibt es Anbindungen an öffentliche Verkehrsmittel? Sind alle Zimmer mit Internet und Telefon ausgestattet? Wie viele Pfleger und Pflegerinnen gibt es? Sind Ärzte im Haus oder in unmittelbarer Nähe? Gibt es gut erreichbare Einkaufsmöglichkeiten? Für diese und andere Fragen gibt es Checklisten, die man von den verschiedenen Beratungsangeboten erhalten kann. Diese Beratungsstellen kennen auch ihre „Pappenheimer“, sprich die Einrichtungen, zu denen es wiederholt Klagen gibt. Und man kennt dort auch die Einrichtungen, die für eine gute Betreuung bekannt sind. Und vor allem: Wenn Sie eine Pflegeeinrichtung für einen Angehörigen auswählen, stellen Sie sich selbst die Frage, ob Sie es dort dauerhaft aushalten würden…

Das Bundesfamilienministerium bietet eine telefonische Erstberatung an, die man montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr unter 030 20179131 erreicht. Man kann sich an diese Stelle auch per Email wenden, unter info@wege-zur-pflege.de. Auch andere karitative Einrichtungen bieten eine solche Pflegeberatung an, und vor einer Entscheidung für oder gegen eine Pflegeeinrichtung sollte man sich unbedingt fachkundigen Rat holen.

Doch dann ist auch die Politik gefordert. Das private Pflegesystem muss dringend auf den Prüfstand gestellt werden. Wenn eine Gruppe wie ORPEA, die mit mehr als 1100 Einrichtungen rund 4 Milliarden Umsatz im Jahr erwirtschaftet, Personal einspart, Essen rationiert und es für die Bewohnerinnen und Bewohner an den grundlegendsten Dingen mangeln lässt, um ihren Aktionären fette Dividenden ausschütten zu können, dann befinden wir uns gesellschaftlich auf dem Holzweg. In jeder afrikanischen Ethnie geht man mit den alten Menschen respektvoller um als bei uns. Alte Menschen dürfen nicht einfach geparkt und weggeschlossen werden, sie haben ein Anrecht auf eine würdevolle Behandlung und einen zugewandten Umgang. Es stellt sich die Frage, ob Altenpflege nicht von Grund auf neu definiert werden und in staatliche Hände gelegt werden muss. Dass es Menschen gibt, die am Elend alter Menschen Geld verdienen, ist einer modernen Gesellschaft unwürdig. Es ist erschreckend, dass man das überhaupt erwähnen muss.

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