Jetzt sollen junge Menschen wieder zur „Musterung“…

Für viele, die vor Jahren zur „Musterung“ der Bundeswehr mussten, war diese Fleischbeschau traumatisch. 2011 wurde dieser üble Moment abgeschafft – und soll nun wiederkommen.

So, jetzt noch einen Griff in den Schritt und ab an die Front! Foto: Bundesarchiv, Bild 183-R43590 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Viele etwas ältere Zeitgenossen erinnern sich noch an die „Musterung“. Bei dieser prüfte die Bundeswehr, ob und wie geeignet junge Leute für den Wehrdienst waren. Besonders irritierend war damals der Griff von Bundeswehrärzten und –Ärztinnen in den Schritt der jungen Wehrpflichtigen, bei denen sich mancher fragte, inwieweit die Beschaffenheit des Geschlechtstrakts die Wehrfähigkeit junger Menschen bestimmen konnte. 2011 wurden Wehrpflicht und damit auch die „Musterung“ abgeschafft. Doch wir leben in Kriegszeiten und folglich will die Wehrbeauftragte Eva Högl die „Musterung“ wieder in den Lebensplan Heranwachsender aufnehmen.

Dabei ist allerdings nicht so ganz klar, wie sich die Wehrbeauftragte das vorstellt. Denn sie spricht davon, junge Menschen zur Musterung „einzuladen“, aber ohne Zwang. Der Erfolg einer solchen „Einladung“ dürfte eher bescheiden ausfallen, vor allem in Kriegszeiten, in denen der Wehrdienst nicht unbedingt nur aus Besäufnissen in der Kaserne, sondern im schlechtesten Fall aus Einsätzen an der Front besteht.

Zu einem Zeitpunkt, zu dem das Europäische Parlament beschlieβt, Europas Wirtschaft auf die Produktion von mehr Waffen und Munition umzustellen, sollte man genau hinhören, was die Politik so vorhat. Dass sich die Berliner Politik nun beeilt zu erklären, dass eine Wiedereinführung der 2011 abgeschafften Wehrpflicht nicht geplant sei, ist eigentlich eher ein Zeichen dafür, dass man die Wehrpflicht schon bald wieder einführen wird, da ja Krieg herrscht und man daher unbedingt die Jugend an der Front verheizen muss. Russland und die Ukraine machen es vor und es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann der Westen nachzieht. Die geplante Wiedereinführung der Musterung ist ein Schritt in diese Richtung, denn andernfalls würde es keinerlei Sinn machen, Jugendliche zur Musterung „einzuladen“.

Während die Menschen vom Frieden träumen, arbeiten Politik und Wirtschaft Hand in Hand für die Eskalation des Ukraine-Kriegs, den Politiker in ihren Hochsicherheits-Palästen sicherlich spannender finden als die Jugendlichen, die im Schlamm an der Front verrecken.

Natürlich will es Eva Högl nicht bei der Musterung belassen. Sie schlägt ein obligatorisches „Dienstjahr für Deutschland“ vor, das bei der Bundeswehr oder im zivilen Bereich absolviert werden soll. Dabei hofft sie, dass die Menschen nicht merken, dass es sich dabei faktisch um die Wiedereinführung von Wehrpflicht und Zivildienst handelt. Dass die Wehrbeauftragte anregt, jetzt die Gespräche darüber aufzunehmen, „wie viel Zwang und wie viel Freiwilligkeit nötig“ sind, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass man in der Bundesregierung alles daran setzt, gegen die „Kriegsmüdigkeit“ gegenzusteuern und eine ganze Generation auf den Kriegseinsatz vorzubereiten.

Nur die FDP, und das ist erstaunlich, bezieht offen Stellung gegen diese Kriegsvorbereitungen der Bundesregierung und meldet rechtliche und politische Zweifel an dieser Entwicklung an. Ansonsten sind sich die groβen Parteien weitgehend einig – die Bundeswehr soll von aktuell 183.000 Soldaten auf 203.000 Soldaten im Jahr 2031 aufgestockt werden. Vermutlich, um dann mit dieser geballten Macht und nicht funktionierender Ausrüstung Russland in die Knie zu zwingen. Und so bleibt die letzte Frage: Wer fällt diesen Wahnsinnigen in den Arm, die gerade dabei sind, die Welt in den III. Weltkrieg zu führen, dessen nukleares Szenario den Entscheidern nicht richtig klar zu sein scheint?

4 Kommentare zu Jetzt sollen junge Menschen wieder zur „Musterung“…

  1. Man hat den Eindruck, dass Sie immer noch nicht so richtig die Motive der russischen Machthaber verstanden haben. Vielleicht sollte man nicht vergessen, dass der Angriff auf die Ukraine nicht aus Versehen oder aus irgend einem Missverständnis entstand sondern aus der Gewissheit die Gegenseite (Ukraine + Westen) würden rasch nachgeben. Auch wenn deutsche Pazifisten das nur ungern hören: Gegen Diktaturen gilt nur die altbekannte Weisheit: Si vis pacem, para bellum.

    • Es ist wie bei jedem Krieg. Irgendwann erwischt die Propaganda alle, die dann auf allen Seiten nur noch die “Alternativlosigkeit” des Tötens sehen. Und hinterher fragen sich dann alle wieder, wie es so weit kommen konnte. Wer heute des Endes des II. und des I. Weltkriegs gedenkt, sollte eigentlich nicht nach mehr Krieg rufen. Man weiss, wo das endet. In der Zwischenzeit füllen sich weiter diejenigen die Taschen, die sich in jedem Krieg die Taschen füllen.

  2. Michael Magercord // 4. Juni 2023 um 21:57 // Antworten

    Es wird Zeit nun endlich Klage in Karlsruhe und am europäischen Menschenrechtsgerichtshof einzureichen auf Anerkennung des durch die staatlich organisierte sexuelle Übergrifflichkeit im Zusammenhang mit Geschehnissen im Zuge der Feststellung der Tauglichkeit zum Wehrdienst in der BRD zugefügten Leids an männlichen Heranwachsenden. Jungen Menschen gegen ihren Willen in den entblößten Schritt zu grabschen darf auch im Nachhinein nicht verharmlost werden, zumal Überlegungen angestellt werden, diese Praxis wieder einzuführen und staatlicherseits die Unversehrheit des Leibes und der Person junger Menschen massenhaft zu verletzten – haben wir aus der Geschichte denn nichts gelernt?

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