Was Sie schon immer zum Thema „Schlichtung & Co.“ wissen wollten… (15)

(15) - Heute: Interview mit einem österreichischen Verbraucherschützer zum Thema Verbraucherschlichtung.

Georg Mentschl, Leiter des EVZ Österreich. Foto: (c) privat

(KL) – Anders als zwischen anderen EU-Staaten gibt es zwischen Österreich und Deutschland keine Sprachbarriere. Das erleichtert den Abschluss zwischen Verbraucherverträgen über die Grenze hinweg. Doch wo Verträge geschlossen werden, kommt es zwangläufig ab und an zu Unstimmigkeiten und Streitigkeiten. Beim Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) Österreich schlagen diese auf. Ist Schlichtung hier ein Weg? Interview mit Georg Mentschl, seinem Leiter.

Herr Mentschl, Sie sind Verbraucherschützer. Was halten Sie von Schlichtung? Zu neutral?

Georg Mentschl: Das EVZ Österreich arbeitet seit 1999 im Bereich des grenzüberschreitenden Verbraucherschutzes. Und ja, wir sind ganz klar im Konsumentenschutz verortet, sind Teil der größten Konsumentenschutzorganisation Österreichs, dem Verein für Konsumenteninformation (VKI), der seit fast 60 Jahren im Dienste der Konsumenten arbeitet. Und daher verstehen wir uns natürlich als Interessenvertreter der Konsumentinnen und Konsumenten.

Es gibt aber eine Besonderheit: Als Teil des Netzwerkes der Europäischen Verbraucherzentren ECC-Net, sind wir seit jeher gegenüber Alternativer Streitbeilegung, also neutraler Schlichtung und Mediation, aufgeschlossen. Und dies schon lange bevor es eine europäische Richtlinie hierzu gab, die sog. ADR-Richtlinie. Bereits die beiden Vorläuferempfehlungen der Europäischen Kommission (98/257/EG bzw. 2001/310/EG) prägten die Arbeit des EVZ in Österreich. Das gehört u.a. zu unseren Stammaufgaben als Teil des ECC-Net (European Consumer Centres‘ Network).

Was heißt „aufgeschlossen“ konkret in Ihrem Arbeitsalltag?

GM: Wir leiten im Zusammenspiel mit unseren Kolleginnen und Kollegen der Europäischen Verbraucherzentren in ganz Europa Konsumentenbeschwerden grenzübergreifend an Schlichtungsstellen in anderen Mitgliedstaaten weiter, wenn uns dies sinnvoll erscheint und wir nicht selbst das Unternehmen zur Streitbeilegung und Problemlösung auffordern.

Gibt es etwa Probleme eines Konsumenten aus dem europäischen Ausland mit einem österreichischen Online-Händler, steht hierfür die österreichische Internetombudsstelle zur Verfügung.

In Österreich gibt es insgesamt acht staatlich anerkannte Schlichtungsstellen. So gibt es noch die Schlichtungsstelle der Energie-Control Austria, die Telekom-Schlichtungsstelle der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, die Post-Schlichtungsstelle der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, die Gemeinsame Schlichtungsstelle der Österreichischen Kreditwirtschaft, die Ombudsstelle Fertighaus und als Auffangschlichtungsstelle die in dieser Serie bereits vorgestellte Verbraucherschlichtung Austria.

Und was ist im umgekehrten Fall, wenn sich ein österreichischer Verbraucher z.B. mit einer Beschwerde gegen ein deutsches Unternehmen an Sie wendet?

GM: Mit der Universalschlichtungsstelle des Bundes, bzw. deren Vorgängerin, der Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle am Zentrum für Schlichtung e.V., besteht seit Jahren ein enger Austausch. Dank dieser Kooperation haben wir schon früh wertvolle Informationen zum deutschen Umsetzungsgesetz der ADR-Richtlinie, dem VSBG, erhalten.

Dadurch können wir ein verstärktes Augenmerk darauf richten, ob deutsche Unternehmen sich in ihren AGB zu einem Verfahren bei dieser Verbraucherschlichtungsstelle verpflichten oder bereiterklären. Ist dies der Fall, können wir Beschwerden, die zu solchen Unternehmen bei uns einlangen, vorrangig an diese Schlichtungsstelle weitergeben. Das ist sehr relevant für viele österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten, die oftmals auf deutschen Webseiten kaufen – und daher für unsere unmittelbare Beratung und Unterstützungsleistung wichtig. Dabei merken wir aber, dass es noch viel zu oft Unternehmen gibt, die sich zumindest ausweislich ihrer AGB einer Schlichtung verweigern.

Das EVZ-Netzwerk bietet überdies auch Unterstützung bei der Einreichung von Beschwerdefällen an, insbesondere um Sprachbarrieren zu überwinden. So kann es sein, dass wir für Konsumentinnen und Konsumenten, die ihren Fall nicht in der Sprache der zuständigen Schlichtungsstelle einreichen können, dies im Namen der Beschwerdeführer übernehmen.

So können Konsumentinnen und Konsumenten aus der EU, Island, Norwegen und dem Vereinigten Königreich durch das Zusammenspiel von Konsumentenschutz und neutraler Schlichtung den höchstmöglichen Profit ziehen.

Also alles bestens?

GM: Die Unternehmerbeteiligung an Schlichtung ist in einigen Branchen immer noch stark ausbaufähig. Das muss besser werden. Aber mit der ADR-Richtlinie wurde ein Meilenstein in Qualität gelegt, die es auch uns Konsumentenschützern leichter macht, der Neutralität solcher Stellen EU-weit zu trauen – ADR hat damit an Kontur gewonnen. Luft nach oben gibt es freilich immer. Und es wird auch immer Grundsatzfragen geben, die gerichtlich entschieden werden sollten, um die Rechtsfindung voranzutreiben. Das muss auch so bleiben, ein gesundes Nebeneinander aller beteiligten Einrichtungen ist hier das Zauberwort. Denn wie heißt es auf europäischer Ebene: „The consumer comes first!“

Herr Mentschl, vielen Dank für das Gespräch!

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