Der kleine Meyer in uns allen

Eine junge Autorin führt uns gekonnt die private Marktwirtschaft am Beispiel eines Maklers vor Augen.

Lilian Loke, Autorin von "Gold in den Straßen", am Samstag bei einer Lesung in Freiburg. Foto: Arne Bicker

von Arne Bicker

Makler sind fies. Sie schließen Türen auf, halten Kugelschreiber bereit, ziehen einem das Geld aus der Tasche und lächeln unehrlich. Wer dieser Meinung anhängt, der darf getrost mal einen Blick in Lilian Lokes Erstlingswerk “Gold in den Straßen” werfen. Die 30-jährige Münchnerin schildert einen Abschnitt im Leben des Frankfurter Immobilienmaklers Meyer. Und wie so oft finden sich hier etliche Vorurteile bestätigt, während eine eingehende Differenzierung doch ungeahnte Hintergründe und allzu Menschliches offenbart; das Lesen dieses klugen und fast schon gemeingefährlich genau beobachtenden Buches ist noch dazu ein kurzweiliges Vergnügen. 

Während die Bundesregierung an Mietpreisbremse und Bestellerprinzip herumdoktort, hat Lilian Loke mit ihrem Roman Fakten geschaffen und eine Branche beleuchtet, in der das Oberflächliche Programm zu sein scheint – doch zu welchem Preis? Das Buch jedenfalls kostet 22 Euro und ist bei Hoffmann und Campe erschienen. Am Samstag las Loke im Rahmen des Festivals “zwischen/wege” für junge Literatur im Freiburger “Café Pausenraum” aus “Gold in den Straßen”. Im Anschluss an Lesung und Diskurs (s. unser Video unten), beantwortete die Autorin eine handvoll Fragen.

Frau Loke, Ihr Buch ist im Prinzip ein Psychogramm der Hauptfigur Meyer. Auch viele der Nebenfiguren sind Männer, die sehr realitäts- und hautnah charakterisiert werden – woher nehmen Sie das? Sind Sie mit sieben Brüdern aufgewachsen?

Nein, aber ich glaube nicht, dass sich in der Hinsicht männliche und weibliche Psychen groß unterscheiden. Es geht ja um den Menschen in der Wirtschaft, oder die Wirtschaft im Menschen.

Oh, da gibt es doch allemal prägnante Unterschiede – in einer Formulierung sprechen Sie zum Beispiel davon, dass eine Figur gern “in diese solariumgegerbte Fresse schlagen” möchte – das ist doch eine typisch maskuline Sprache, da können Sie sich nicht herausreden…

…Hm, vielleicht bin ich auch so.  [lacht]

Ist Ihr privates, Ihr Berufsumfeld sehr männlich? Woher haben Sie diese fast schon intimen Kenntnisse von männlichem Denken, männlicher Sprache, männlichem Handeln? Diese Hackordnung, die Sie schildern, dieses Sich-Messen, ist das nicht alles typisch männlich?

Natürlich ist dieser Konkurrenzkampf momentan noch relativ maskulin geprägt, aber ich glaube, dass es Hackordnungen in der Wirtschaft auch unter Frauen gibt. So groß ist der Unterschied gar nicht, und vielleicht denke ich selbst auch ein bisschen mehr maskulin. Warum das so ist, weiß ich jetzt nicht… Ich kann Ihnen leider nicht genau sagen, warum ich das so gut kann, aber ich kann’s.

Autoren werden ja nach der Veröffentlichung oft gefragt, inwieweit ihre Geschichte autobiographisch geprägt sei. Wollten Sie dieser phrasenhaften Frage vielleicht aus dem Weg gehen?

Nee, für mich ist es so, dass man bei der Schreibe vom privaten in ein öffentliches Thema gehen muss. Mich hat Wirtschaft interessiert, weil es mich privat betrifft. Ich habe begriffen, wie tief wir alle in dieser Wirtschaft drinstecken, auch wenn ich als Literaturwissenschaftlerin noch lange kein BWLer bin. Aber irgendwie ist die Wirtschaft seit jeher ein Stiefkind in der Kultur, und das fand ich schade, weil es ein tief menschliches Thema ist. Deshalb wollte ich mich diesem Thema widmen.

In Ihrem Buch beweisen Sie, dass Sie sich in auffällig vielen Bereichen sehr gut auskennen – bei Immobilien, Maklern, Banken, Schuhmachern, Blinden – haben Sie die Recherche vor dem Schreiben abgeschlossen oder währenddessen fortgeführt?

Ich habe am Anfang erst mal recherchiert, ob das alles passt, ob ich auch einen schönen Plot hinbekomme. Ich hatte also meine Eckpunkte und habe vorab alles auf seine Funktion hin abgeklärt. Aber dann habe ich während des Schreibens auch noch tiefer recherchiert.

Wie lange hat’s gedauert, das Schreiben?

Insgesamt so zwei, zweieinhalb Jahre.

War das ein lange geplantes Projekt, oder entstand das spontan?

Ich wollte schon immer Bücher schreiben, schon seit ich zwölf bin.

Im Buch geht es ja sehr stark ums Verkaufen – was haben Sie selbst denn beim Schreiben getan, um Ihr Buch später gut zu verkaufen?

Man muss ja sagen, dass ein Buch übers Verkaufen sich nicht so einfach verkauft, weil es ja kein klassischer Liebes- oder Historienroman oder Thriller ist, die sich ja per se durchs Genre relativ gut an den Mann bringen lassen. Ich habe natürlich darauf geachtet, dass es spannend ist, weil ich selbst gern Bücher habe, die mich nicht langweilen, das war meine oberste Priorität. Aber vielleicht ist das für jemanden, der sich nicht so sehr für Wirtschaft interessiert, doch nicht so spannend.

Doch, es ist spannend, und für mich ist das eher ein Gesellschafts- als ein Wirtschaftsroman.

Ja, vielleicht.

Ein Begriff, der in Ihrem Buch sehr oft auftaucht, ist “Performance”. Welche Bedeutung hat dieser Begriff für Sie, und können Sie den überhaupt noch ernst nehmen?

Naja, es gibt natürlich viele Wirtschaftsbegriffe, die irgendwann zu Phrasen werden. ‘Topp-Performer’ und solche Geschichten, das ist inflationär verbraucht, und nein, ich kann das natürlich nicht mehr so ernst nehmen. Aber auch wenn wir solche Begriffe schon totbenutzt haben, funktioniert das große Theater mit ihnen dann doch immer noch.

Sind Sie mit Ihrer Performance als Debütromanautorin und Lesereisende zufrieden?

Ich denke, man kann sich immer verbessern, aber ich glaube, soweit ist das ganz in Ordnung.

Frau Loke, vielen Dank!

Lilian Loke im Freiburger “Café Pausenraum”. Video: eurojournalist.

 

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