Die Fehlbesetzung

Erst war sie nicht mehr als Europaministerin der französischen Regierung erwünscht, dann hat sie auch den Einstieg von LREM ins Europäische Parlament versaut.

Ob Nathalie Loiseau ein "U-Boot" ist, das Emmanuel Macron schaden soll? Es sieht fast danach aus... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Nathalie Loiseau, bis vor kurzem noch Europaministerin und dann Spitzenkandidatin der französischen Regierungspartei LREM („La République en Marche“) für die Europawahl, hat Europa mit Frankreich verwechselt. Ist es heute im politischen Frankreich üblich, den politischen Gegner zu beleidigen, zu diffamieren, zu geringschätzen und von oben herab zu behandeln, so ist dieses Verhalten auf der diplomatischen Bühne Europas ein No-Go. Das musste Nathalie Loideau nun auf die harte Tour erfahren – durch ihr überhebliches Geschwätz vor einem Dutzend Journalisten in Brüssel hat sie den eigentlich schon sicher geglaubten Fraktionsvorsitz der neuen liberalen Fraktion „RE“ im Europaparlament (aus „ALDE“ wurde „Renew Europe“) verspielt.

Mit 21 Abgeordneten stellt LREM zwar die stärkste Gruppe in der neuen liberalen Fraktion, doch in einer Fraktion, die aus 106 Abgeordneten besteht, ist es ziemlich amateurhaft, seine Kolleginnen und Kolleginnen aus den anderen Ländern und Parteien zu beleidigen, auch, wenn dies „off the records“ passiert. Ebenso amateurhaft ist es, überhaupt ein solches Pressegespräch in der Hoffnung zu führen, dass nichts davon an die Öffentlichkeit dringen würde. Da stellt sich auch die Frage, was die inzwischen weder in Frankreich noch in Europa tragbare Loiseau geritten hat, einen solchen inoffiziellen Pressetermin einzuberufen, wenn das, was sie von sich geben wollte, nicht veröffentlicht werden sollte.

Damit ist Emmanuel Macrons Plan gescheitert, auf europäischer Ebene das zu tun, was er bereits in Frankreich gemacht hat – das Plattwalzen des politischen Establishments. Doch der neue Führungsstil in Frankreich hat sich auf europäischer Ebene als Rohrkrepierer erwiesen – und Nathalie Loiseau sah sich gezwungen, angesichts der heftigen Reaktionen auf ihre Aussagen, ihre Kandidatur für den Fraktionsvorsitz der liberalen Fraktion RE aufzugeben, aus „Verantwortungsgefühl“, wie sie sagte. Und überhaupt, sie habe das alles so nicht gesagt. Was allerdings ein Dutzend Journalisten, die ihren Ausführungen gelauscht hatten, anders sahen.

Ein herber Rückschlag für Emmanuel Macron auf europäischer Ebene, hatte er sich doch in den letzten Wochen des Wahlkampfs nicht nur persönlich eingemischt, sondern sogar seine Spitzenkandidatin von den Wahlplakaten verjagt und durch sein eigenes Konterfei ersetzt. Dort, wo es auf europäischer Ebene um Inhalte geht, aber auch um das Verständnis, wie europäische Politik im parlamentarischen Alltag funktioniert, wird das Team von LREM wohl erst einmal Lehrgeld zahlen müssen, bevor es erneut versucht, einen europäischen Führungsanspruch anzumelden.

Aber worum genau ging es eigentlich bei diesem höchst seltsamen Pressetermin, zu dem Nathalie Loiseau geladen hatte, ohne dass sie der Presse etwas mitzuteilen hatte? Ziel des Gesprächs mit der Presse, das einige der Anwesenden aufgrund seiner Niveaulosigkeit derart schockiert hatte, dass ihre Aussagen zu einem Journalisten des belgischen „Le Soir“ durchgesteckt wurden, war es, politische Freunde und Feinde zu diskreditieren.

Wie sie ihre Kolleginnen und Kollegen sieht, das wollte Nathalie Loiseau unbedingt „off the records“ bei einem Dutzend Journalisten loswerden. Der bisherige Vorsitzender der liberalen Fraktion, der Belgier Guy Verhofstadt, In Brüssel und Straßburg geschätzt von seinen politischen Freunden und Gegnern, ist für Madame Loiseau nicht anderes als „einer, der seit 15 Jahren seinen Frust aufgestaut hat“. Ihre Fraktionskollegin aus den Niederlanden Sophie in ‘t Veld ist nur eine „Looserin“. Eine ebenso hohe Meinung hat sie vom schwedischen Liberalen Fredrick Federley, der sich auch Hoffnungen auf den Fraktionsvorsitz macht – sollten ihre Fraktionskollegen den Schweden wählen, dann wäre das nach Ansicht von Nathalie Loiseau gleichbedeutend mit der Schlüsselübergabe Europas an den deutschen Christdemokraten Manfred Weber. Und natürlich, so beleidigend, wie Loiseau schon mit ihren Fraktionskollegen umgeht, so wenig fand sie nettere Worte für den EVP-Kandidaten für die Präsidentschaft der Europäischen Kommission, eben diesen Manfred Weber. Der ist in ihren Augen nur ein „Ektoplasma“, also eine hirnlose, glibbrige Masse, ein Abfallprodukt.

Ob Nathalie Loiseau in Wirklichkeit ein „U-Boot“ ist, das die politischen Gegner Macrons in seiner Nähe platziert haben und dessen Aufgabe es ist, dem französischen Präsidenten bei jeder sich bietenden Gelegenheit maximal zu schaden? Wäre dies der Fall, dann macht Nathalie Loiseau einen tollen Job. Sollte es allerdings nicht ihr Ziel sein, Emmanuel Macron zu schaden, dann ist sie in der Tat eine unglaubliche Fehlbesetzung. Der beste Platz für Nathalie Loiseau wäre der politische Ruhestand, bevor sie noch mehr Schaden anrichten kann.

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