Europäische „Fake Democracy“

Die mit großem Wirbel organisierte „Konferenz zur Zukunft Europas“ versandet in den Mühlen der europäischen Institutionen. Das, was die Europäerinnen und Europäer erarbeitet haben, interessiert die europäischen Machthaber nicht.

Die "Konferenz zur Zukunft Europas" hätte viel bringen können - mehr als nur eine Alibifunktion für ehrgeizige Politiker. Foto: © European Union 2021 Source: EP / Wikimedia Commons / CC-BY 4.0int

(KL) – Wer heute auf die Website der „Konferenz zur Zukunft Europas“ klickt, um sich zu informieren, was eigentlich aus dieser riesigen, europaweit organisierten Aktion geworden ist, der muss schon sehr genau hinschauen. Denn der „aktuelle Tätigkeitsbericht“ stammt aus dem Oktober. Allerdings nicht aus dem Oktober 2022, sondern aus dem Oktober 2021. Doch offenbar war das den Verantwortlichen dann doch ein wenig zuviel Bürgerbeteiligung – inzwischen ist die gesamte Aktion in den Händen der Brüsseler Beamten, die damit das anfangen, was sie mit allen Dossiers tun – sie verwalten es ergebnislos zu Tode. Blöd ist nur, dass es auf absehbare Zeit kaum noch gelingen wird, die Menschen zur Teilnahme an solchen Alibi-Veranstaltungen zu bewegen.

Bürgerinnen und Bürger pro forma ein wenig diskutieren zu lassen, das machen alle auf allen Ebenen gerne. Das beginnt auf lokaler Ebene mit „Bürgerräten“ oder im Eurodistrikt Straßburg-Ortenau mit „Begegnungen zwischen Gewählten und BürgerInnen“, auf nationaler Ebene entspricht das den „Großen Debatten“, die der französische Präsident Emmanuel Macron vor Jahren zwei Monate lang organisieren ließ, bevor er entschied, keinen der von den Franzosen erarbeiteten Vorschläge aufzunehmen und umzusetzen (zu diesen Debatten gibt es bis heute nicht einmal einen Abschlussbericht!) und jetzt eben auf europäischer Ebene.

Die Kommunikation war besser als die Veranstaltungsreihe selbst. Denn die war weitaus weniger ein Renner, als die Institutionen das vermitteln wollten. Auf der Internet-Plattform der Konferenz sind 0,01 % der Bürger Europas eingetragen, an den 6.661 Veranstaltungen nahmen 721.487 Menschen teil. Klingt viel, ist es aber nicht, denn auch die Teilnehmer an diesen Veranstaltungen stellen nicht mehr als 0,2 % der europäischen Bevölkerung dar. Begeisterung sieht anders aus. Kein Wunder, denn viele Menschen nahmen erst gar nicht an diesen Konferenzen teil, weil sie bereits im Vorfeld ahnten, dass am Ende sicherlich keine Bürgerideen umgesetzt werden.

Wie zum Beispiel der von vielen Teilnehmern an diesen Konferenzen geäußerte Wunsch, die Institutionen so zu reformieren, dass sie endlich effizient arbeiten können und das lähmende Prinzip der Einstimmigkeit abschaffen. Seit dieser Vorschlag an die politisch Verantwortlichen übergeben wurde, wird angeblich an diesem Vorschlag gearbeitet. Wer wo was arbeitet, das ist unklar. Und seit dieser Vorschlag öffentlich ist, haben die Institutionen die bis dahin rund laufende Kommunikationsmaschine eingestellt, wie man unschwer feststellen kann, wenn man auf der Website der Konferenz aktuelle Informationen sucht.

Dazu passierte das, was immer passiert, wenn sich die Verwalter des europäischen Elends nicht in die Karten schauen lassen wollen. Die Konferenz fiel in die Hände der Technokraten und auch der aus dem Oktober 2021 (!) stammende Tätigkeitsbericht erzählt von Ausschüssen, Unterausschüssen, Machbarkeitsstudien erstellenden Beamten und dem Leben hinter den verschlossenen Türen der Brüsseler Institutionen. Nach ein paar Seiten der Lektüre versteht man, das es kein Ergebnis dieser „Konferenz zur Zukunft Europas“ geben wird und dass dieser „Bericht“ nicht etwa dazu dient, die Menschen in Europa zu informieren, sondern die Ergebnisse der Konferenz so im Beamtensprech zu verschlüsseln, dass die Menschen das Interesse daran verlieren, genau wie im Eurodistrikt Straßburg-Ortenau oder in Frankreich nach den „Großen Debatten“.

Es hätte weniger Schaden angerichtet und weniger Vertrauensverlust in die europäische Politik gezeitigt, hätte man diese Konferenz erst gar nicht organisiert. Jetzt merken die Menschen, dass sie als Alibi missbraucht wurden, damit ehrgeizige Politiker im nächsten Wahlkampf behaupten können, sie hätten sich für mehr Bürgerbeteiligung engagiert. Statt die europäischen Institutionen und die europäische Bevölkerung näher zusammenzubringen, haben die Veranstaltungen dieser Konferenz nur gezeigt, dass der europäischen Politik die 500 Millionen Menschen in Europa ziemlich egal sind. Da sollte sich niemand mehr über mangelndes Interesse oder schwache Wahlbeteiligungen beschweren – die europäische Politik agiert inzwischen Lichtjahre von den Menschen entfernt und kümmert sich um alles Mögliche. Nur nicht um das Wohlergehen der Menschen, die sie gewählt haben. Die Frage, wann die Europäische Union implodiert, ist eigentlich nur noch eine Frage der Zeit.

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