Genug gefeiert – jetzt wird gegen Flüchtlinge gekämpft

Nach den Krokodilstränen am „Welttag der Flüchtlinge“ macht die EU jetzt ernst – der Krieg gegen Schlepper und Flüchtlinge hat begonnen.

Wenn die EU jetzt noch anfängt, direkt Flüchtlingscamps wie hier in Farchana zu bombardieren, dürfte die Abschreckung optimal sein... Foto: SuSanA Secretariat / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Was waren am Sonntag alle betroffen! Die armen Flüchtlinge! Man müsste ja viel mehr für sie tun, da waren sich alle Sonntagsredner einig. Und jetzt, wo diese Krokodilstränen getrocknet sind, geht die EU schon am nächsten Tag zur Tagesordnung über – und startet ihren seltsamen Krieg gegen Schlepper auf afrikanischem Boden, der zwar auch die Schlepperbanden, in erster Linie die Flüchtlinge meint. Denn das Credo der EU lautet nach wie vor nicht „Leben retten“, sondern „abschrecken“. Was die Europäische Union langsam, aber sicher, zur kriminellen Vereinigung werden lässt.

Phase 1 der Militäroperation vor der lybischen Küste – ausspähen, ausspähen, ausspähen. Denn das können ja gerade wir Deutschen so richtig gut. Auf diese erste Phase verständigten sich gestern die EU-Außenminister bei ihrem Treffen in Luxemburg und endlich, endlich, kommt all das schöne Militärspielzeug zum Einsatz, für das wir Jahr für Jahr so viel Geld ausgeben – Schiffe, Drohnen, Flugzeuge, das ist klasse!

Wie die EU bei dieser „Aufklärungsmission“ zwischen kriminellen Schleppern und überhaupt nicht kriminellen Flüchtlingen unterscheiden will, bleibt vorerst das Geheimnis der EU. Dass bei diesem „Krieg gegen die Schlepper“ als erstes die Flüchtlinge ins Visier geraten, die vor Hunger, Krieg, Bürgerkrieg und religiöser Verfolgung flüchten, ist ein Kollateralschaden, den die europäischen Schreibtischtäter billigend in Kauf nehmen. Dass sie damit die ohnehin schon lebensgefährliche Überquerung des Mittelmeers noch gefährlicher und folglich für die Flüchtlinge noch teurer und folglich für die Schlepperbanden noch lukrativer machen, wird ebenso in Kauf genommen.

In Phase 2 wollen die Sandkasten-Strategen der EU dann die Schiffe der Schleuser zerstören und beschlagnahmen. Hierbei wird ebenso akzeptiert, dass sich eventuell Flüchtlinge auf diesen Schiffen befinden und damit wird aus einer ohnehin schon mehr als fragwürdigen „Aufklärungsoperation“ ein ausgewachsener Krieg gegen Flüchtlinge.

Ob dieser Einsatz mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen ist, bleibt fraglich. Für die Aktion liegt weder eine Genehmigung der lybischen Regierung, noch ein Mandat der UNO vor – und macht aus den EU-Politikern Mörder. Denn bis zu 80 % der Flüchtlingsströme kommen über das Mittelmeer, wo sich die Flüchtlinge ab sofort nicht nur gegen kriminelle Banden, Hunger und Durst, schwere See und schlechtes Wetter, sondern auch noch gegen eine wild gewordene EU zur Wehr setzen müssen, die es gar nicht abwarten kann, mit schweren Geschützen auf Nussschalen voller Flüchtlinge zu schießen. Und das nur einen Tag nach der zur Schau getragenen Betroffenheit der europäischen Politiker, die sich so besorgt über das Schicksal der Flüchtlinge geäußert hatten. Jämmerlich.

Damit schafft die EU in ihrer unermesslichen Weisheit das, was sich alle kriminellen Schlepperbanden an der afrikanischen Küste gewünscht hatten – sie treibt die Preise für die Flucht in die Höhe und schafft einen unglaublich lukrativen Markt. Den sie dann wiederum militärisch bekämpfen kann.

Und langsam müssen wir uns alle die Frage stellen, was für Schreibtisch-Cowboys wir eigentlich im Mai 2014 ins Europäische Parlament gewählt haben. Wo bleibt der Aufschrei? Wo bleibt die Opposition? Wo bleibt die Empörung darüber, dass Europa immer mehr hilflose Menschen auf dem Gewissen hat? Dass genau diejenigen, die den Tod tausender Flüchtlinge auf dem Gewissen haben, am „Welttag der Flüchtlinge“ auch noch die Stirn hatten, falsche Tränen zu vergießen, macht das Ganze noch ein wenig widerlicher, als es ohnehin schon ist. Wenn dieses das Europa ist, das wir gerade versuchen zu retten, dann wäre es vielleicht tatsächlich besser, Europa als Institution würde den Bach herunter gehen. Denn als Hort der Menschenrechte und des Humanismus hat dieses Europa ausgedient.

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