Europa richtet einen neuen „Eisernen Vorhang“ ein

Ungarn riegelt seine Grenze nach Kroatien ab, Großbritannien kriminalisiert Flüchtlinge, Deutschland hat im Eilverfahren ein „abschreckendes“ Asylgesetz durchgepeitscht. Europa zerbröckelt.

Diese Syrerin hat es mir ihrem Kind aus dem Bürgerkrieg heraus geschafft. Und unsere Hilfe besteht darin, sie von der Flucht nach Deutschland "abzuschrecken"? Foto: Henry Ridgwell / Voice of America News / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Die Europäische Union wehrt sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die weitere Ankunft von Flüchtlingen. Ungarn hat die 300 km lange grüne Grenze zu Kroatien abgeriegelt, in Großbritannien werden illegal eingereiste Flüchtlinge als Kriminelle behandelt (wobei es überhaupt nicht möglich ist, als Flüchtling legal nach Großbritannien einzureisen) und Deutschland hat sich ein neues Asylgesetz gegeben, das zwar ein paar positive Elemente wie Sprach- und Integrationskurse beinhaltet, jedoch in erster Linie abschreckend wirken soll, unter anderen dadurch, dass es Angriffe auf die Menschenwürde der Flüchtlinge enthält. Nur dort, wo man sinnvoll eingreifen könnte, belässt es die EU bei Ankündigungen und „politischer Kommunikation“, auf die keine Taten folgen. Das Versagen Europas und das Scheitern der humanistischen Politik der inzwischen in Europa und ihrer eigenen Partei isolierten Bundeskanzlerin Angela Merkel wird immer offenkundiger.

Den Maßnahmen, die Europa gerade gegen die Flüchtlingswelle ergreift, basieren alle auf der völlig falschen Annahme, dass diese Flüchtlinge aus freien Stücken nach Europa kommen würden. „Wir haben diese Leute schließlich nicht eingeladen“, dröhnt der Stammtisch und übersieht dabei, aus welchen Situationen diese Menschen flüchten, die in ihrer Heimat zumeist ein völlig normales Leben führen konnten, bevor Krieg, Bürgerkrieg, religiöser Extremismus und die damit einher gehenden Phänomene sie zur Flucht zwangen. Insofern stellen die Maßnahmen Aktivitäten dar, die vielleicht ganz kurzfristig die Problematik entschärfen, diese aber keinesfalls lösen können.

Einen sinnvollen Ansatz hatte der Gipfel im September gebracht – die Staaten kamen überein, eine Soforthilfe in Höhe von 1,8 Milliarden Euro bereitzustellen – für das Ernährungsprogramm der UNO, das in Syrien und in anderen Ländern humanitäre Hilfe leistet, für weitere Programme, mit denen die Situation in den betroffenen Ländern so verbessert werden sollte, dass die Menschen zuhause bleiben könnten. Diese 1,8 Milliarden wurden mit viel Getöse angekündigt und man feierte sich gegenseitig, dass man so großzügig und humanistisch sei. Doch leider sind in diesen Hilfsfond bisher keine 1,8 Milliarden Euro eingezahlt worden, sondern nur 20 Millionen – was bedeutet, dass nichts unternommen wird, um den Menschen die Fluchtgründe abzunehmen. Stattdessen tobt in Syrien ein blutiger Krieg, in dem jeder alles bombardiert, was nach einem Ziel aussieht und wir wundern uns weiterhin, dass die Menschen alles unternehmen, um aus diesen Zonen herauszukommen.

Auch die Tatsache, dass die EU nun Recep Tayyip Erdogan kurz vor den Wahlen in der Türkei mit einem Angebot über 3 Milliarden Euro zur besseren Grenzsicherung praktisch den Wahlsieg schenkt, ist eine sehr kurzsichtige und falsche Herangehensweise an das Problem – den Erdogan ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Dass in diesem 3-Milliarden-Paket auch steht, dass die humanitäre Versorgung der Flüchtlinge verbessert werden soll, ist Augenwischerei – es geht der EU einzig und alleine darum, dass die Türkei die Flüchtlingswelle vor Ort stoppt und dafür sorgt, dass weniger Flüchtlinge an die Tore der EU klopfen.

All das sind Maßnahmen, die ausschließlich auf die Symptome abzielen, aber nichts an den Ursachen dieser Flüchtlingswelle verändern. Insofern ist es geradezu logisch, dass die Menschen aus den Krisengebieten weiterhin flüchten werden und wenn nun der Zugang nach Europa immer weiter erschwert wird, profitieren davon einzig kriminelle Menschenschlepper, die munter weiter ihre Preise erhöhen werden und Menschen auf der Flucht in den Tod schicken. Dass wir mit unseren „Maßnahmen“ massiv dazu beitragen, das wollen wir in Europa nicht wahrhaben. Und weiterhin bröckelt der europäische Gedanke jeden Tag ein Stückchen mehr ab…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste