Immer wieder die gleichen Fehler…

Mit einer Inzidenz von 2960,3 ist Frankreich einsamer „Spitzenreiter“ in Europa. Das aber hält die Regierung nicht davon ab, immer wieder die gleichen Fehler zu machen.

Kann man bei einer Inzidenz von 2960,3 noch stolz sein, die Pandemie "besser als alle anderen" zu managen? Foto: We Are Covert / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Was war die französische Regierung Ende November noch stolz, „die Krise so viel besser gemanagt zu haben als alle europäischen Nachbarn“! Fakt ist, dass Frankreich heute die europaweit mit Abstand höchste Inzidenz aufweist, mit 2960,3 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern. Das Ärgerlichste daran ist, dass diese Entwicklung absehbar war, wie wir in mehreren Artikeln Anfang Dezember bereits geschrieben hatten. Von „wir sind von der Entwicklung überrascht worden“, wie es Regierungssprecher Gabriel Attal sagte, kann also keine Rede sein. Die Explosion der Inzidenz ist das direkte Ergebnis politischer Fehlentscheidungen, die von der Regierung in den letzten Wochen getroffen wurden. Auch, wenn sich Präsident Macron mit seinen Helfern jede Mühe gibt, diese Entwicklung den 9 % der Franzosen in die Schuhe zu schieben, die (noch) nicht geimpft sind, so muss man festhalten, dass alles unternommen wurde, um diese dramatische Entwicklung zu ermöglichen. Und genau so macht Paris jetzt auch weiter.

Das beherrschende Thema in Frankreich ist heute nicht etwa die Pandemie, noch nicht einmal der heute stattfinden Streik völlig entnervter Lehrer und Eltern, auch nicht der Skandal um Novak Djokovic, sondern – der gestern gestartete Winterschlussverkauf. Denn ähnlich wie bei der Entscheidung, die Weihnachtsmärkte und Fußballstadien offen zu halten, wo sich das Virus munter verbreiten konnte, ist heute gewünscht, dass sich die Franzosen in das Getümmel um Schnäppchen stürzen und die Kassen des Einzelhandels füllen. Um die Frage der Volksgesundheit wird man sich dann eben später kümmern. Oder auch nicht.

Die Weihnachtsmärkte waren bereits ein pandemisches Highlight. Im Elsass freute man sich darüber, dass viele Besucher aus Deutschland und Belgien kamen, denn in diesen Ländern waren die Weihnachtsmärkte wohlweislich geschlossen oder gleich abgesagt worden. In beiden Ländern herrschten Anfang Dezember deutlich höhere Inzidenzen als in Frankreich – was bedeutet, dass man die Grenzen nicht nur für zahlende Besucher, sondern eben auch für das Virus offen hielt. Und was man in Frankreich in den Fußballstadien abzieht, ist mit „lächerlich“ nur unzureichend beschrieben. Durften die Vereine im Dezember noch die Stadien bis auf den letzten Platz füllen (wo dann Zehntausende Fans dicht gedrängt und ohne Maske Bier trinkend sangen, brüllten und ihre Mannschaft feierten und dabei das Virus durch die Gegend streuten), wurde dann eine Begrenzung auf 5000 Zuschauer pro Spiel verhängt. Die Idee war, dass sich dann 5000 Menschen im ganzen Stadion verteilen und somit soziale Abstände möglich wären. In der Praxis öffneten die Vereine dann nur eine einzige Tribüne, auf der dann 5000 Zuschauer dicht gedrängt und ohne Maske Bier trinkend sangen, brüllten und ihre Mannschaft feierten und dabei das Virus durch die Gegend streuten…

Auch die Verordnung zum Tragen von Masken (die auch nur teilweise befolgt wurde) wurde nicht etwa landesweit verhängt, sondern nur für 40 der 90 Departements, in der irrigen Annahme, dass das Virus in den anderen 50 Departements nicht existent sei. Nach zwei Jahren der Pandemie fällt es schwer daran zu glauben, dass es die Verantwortlichen nicht besser wussten…

Und jetzt der Winterschlussverkauf. Die Menschen stürzen sich ins Gedränge, in der Hoffnung, das optimale Schnäppchen zu machen, die öffentlichen Verkehrsmittel sind bis zum Anschlag gefüllt und erneut entscheidet man sich für den Einzelhandel und gegen die Volksgesundheit. Vermutlich in der Hoffnung, dass das Ergebnis dieses Mal ein anderes sein wird. Aber die gleichen Fehler führen in der Regel auch zu den gleichen Ergebnissen.

Dass Präsident Emmanuel Macron nun alles daran setzt, die Jagd auf die Ungeimpften zu befeuern, damit niemand laut Fragen zu den irrwitzigen Entscheidungen seiner Regierung stellt, ist aus seiner Sicht zwar verständlich, denn der Mann möchte ja im April für eine zweite Amtszeit wiedergewählt werden, aber die aktuelle Entwicklung geht eindeutig auf seine Kappe, ob das seine Jünger nun ebenso sehen oder nicht. Und am Ende haben wir alles: Eine abgrundtief gespaltene Gesellschaft, die höchste Inzidenz in Europa, ein Krankenhaussystem, in dem Pflegekräfte und Betten fehlen und einen Präsidenten, der mit seiner Regierung weiterhin behauptet, Champion im „Krieg gegen das Virus“ zu sein. Ungefähr 50 % der Franzosen glauben dieses Märchen noch und die Frage steht im Raum, wie viele das auch im April bei den Wahlen noch glauben werden. Es sei denn, Macron verschiebt die Wahlen freihändig auf einen Zeitpunkt, der ihm günstiger erscheint. In Frankreich ist im Jahr 2022 so ziemlich alles denkbar.

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