Selbst Karl Lauterbach wird vorsichtig…

Angesichts der Projektionen des Robert-Koch-Instituts, das in den nächsten Wochen von bis zu 100.000 Neuinfektionen am Tag spricht, fordern Virologen einen knallharten Lockdown. Und Karl Lauterbach?

Deutschland im Lockdown, wie hier in Hannover. Für Karl Lauterbach müsste ein solcher Lockdown für mehrere Wochen organisiert werden. Foto: Bernd Schwabe in Hannover / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Seit Monaten ist der Gesundheitsexperte der SPD Karl Lauterbach der Buhmann der Nation, denn die Stellungnahmen des Experten machen der Bevölkerung keine Freude – Lauterbach warnt vor dem weiteren Verlauf der Pandemie, er warnt, er fordert schärfere Lockdowns und wird allgemein als so etwas wie die „Corona-Spaßbremse“ betrachtet. Dabei hat Lauterbach bislang praktisch mit allem Recht gehabt, was er gesagt hat. Karl Lauterbach gibt weiterhin wieder, was das Robert-Koch-Institut prognostiziert und – er warnt weiter. Aber selbst ein Karl Lauterbach traut sich nicht mehr, den ganz harten Lockdown zu fordern.

Angesichts der vom RKI in Aussicht gestellten Möglichkeit, dass Deutschland bereits in kurzer Zeit bis zu 100.000 Neuinfektionen pro Tag erleben könnte, vertritt Lauterbach nach wie vor die Meinung, dass zusâtzlich zu Impf- und Teststrategien ein harter Lockdown unumgänglich sei. Diese Ansicht teilen die meisten Virologen und äußern sich auch dementsprechend, denn während die Politik von „Lockerungen“, „Modellregionen“ und „Öffnungen“ spricht, warnen die Experten vor einer extremen Belastung des Gesundheitssystems. Doch statt einen europaweiten, vier- bis sechswöchigen Lockdown zu fordern, rudert selbst ein Karl Lauterbach langsam zurück. Inzwischen fordert er „nur“ noch einen zweiwöchigen, konsequenten Lockdown, doch zwei Wochen reichen alleine schon aufgrund der Inkubationszeit des Virus nicht. Ob ihn seine eigene Partei zurückgepfiffen hat?

Der Experte Karl Lauterbach, dessen Kompetenzen im medizinischen Bereich selbst von seinen politischen Gegnern anerkannt werden, wird täglich unbeliebter, da er die Wahrheiten ausspricht, die niemand hören möchte. Doch sieht es so aus, als würde aus „Mr. Maximalforderung“ nun auch ein Realpolitiker werden, der Maßnahmen fordert, „die mit den Leuten machbar sind“. Doch das Virus schert sich nicht um Befindlichkeiten in der Bevölkerung – es verbreitet sich weiter rasend und könnte nur durch massive Maßnahmen gestoppt werden, die europaweit einheitlich und konsequent parallel umgesetzt werden müssten. Doch das fordert inzwischen nicht einmal mehr Karl Lauterbach, wohl vor allem deshalb nicht, weil die SPD nicht als Überbringer der schlechten Nachrichten abgestraft werden möchte.

Doch bei der Perspektive, die das RKI aufzeigt, dem Steigen der bundesweiten Inzidenz, einer bereits 84%igen Belegung der Intensivbetten in Deutschland, wäre es vielleicht doch angebracht, die zu treffenden Maßnahmen nicht an den Befindlichkeiten der Bevölkerung festzumachen, sondern an den medizinischen Erfordernissen dieser Situation. Dies erfordert jedoch auch, dass weiterhin mutige Politiker wie Karl Lauterbach ihre Stimme erheben und den Menschen reinen Wein einschenken, statt sie weiter mit „Lockerungs-Szenarien“ in die Irre zu führen, die allesamt den Praxistest nicht bestanden haben.

Die Forderung nach „zwei Wochen hartem Lockdown“ ist nicht Fisch, nicht Fleisch. Die Richtung stimmt, doch reichen zwei Wochen nicht aus, um eine Trendwende zu initiieren. Vor allem nicht, wenn ein solcher Lockdown national oder gar regional organisiert wird, während das Virus vor allem in den Grenzregionen weiter zirkulieren kann. Von Karl Lauterbach erwarten wir, dass er genau mit dieser Maximalforderung antritt, statt nun auch den Weg des lauwarmen Kompromisses zu beschreiten.

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