Warum die Taliban gerade Kreide gefressen haben

Es hat den Anschein, als seien die Taliban nicht mehr die steinzeitliche Meuchelmörderbande von damals. Doch der Schein trügt. Nur – momentan brauchen die Taliban dringend Geld.

Noch zeigen sich die Taliban als die netten Fundamentalisten von nebenan. Noch. Foto: Voice of America News / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Ein Land mit Terror zu überziehen oder es zu regieren, das ist nicht dasselbe. Das haben auch die Taliban verstanden, die bis zum endgültigen Verlassen aller internationalen Soldaten zähneknirschend die Geläuterten und Verhandlungsbereiten geben. Doch haben die Taliban nicht etwa ihre Ideologie geändert, sondern sie haben ein ganz praktisches Problem – sie brauchen Geld. Und an das Geld, das dem afghanischen Staat gehört und das weltweit auf Bankkonten schlummert, kommen sie nicht heran. Kein Wunder, dass sie sich momentan eher friedlich geben. Doch sollte sich niemand über ihre wahren Absichten täuschen lassen.

Momentan haben die Taliban lediglich Zugriff auf 0,2 % der rund 9 Milliarden Dollar Reserven des Landes, da fast der gesamte Betrag bei ausländischen Banken oder auch Zentralbanken liegt, die diese erst einmal eingefroren haben. So liegen rund 7 der 9 Milliarden bei der amerikanischen Zentralbank Fed, ausgerechnet beim Erzfeind. Weitere Gelder befinden sich bei Banken in der Schweiz und auch in anderen Ländern und alle haben den Zugriff auf diese Konten fürs erste gesperrt.

Den Taliban ist völlig klar, dass wenn sie nun das täten, was sie am liebsten tun, sie wohl kaum mehr an das dringend benötigte Geld kommen. Also wird verhandelt, gesprochen und sich für den Moment halbwegs friedlich verhalten. Sie sprechen von Amnestie, von „keine Rache nehmen“, von Frauenrechten und die ersten blauäugigen Politiker im Westen verfallen in Wunschdenken und behaupten, die Taliban hätten sich grundlegend geändert.

Dieser Eindruck dürfte schnell verfliegen, wenn die Taliban es schaffen, ihre Reichtümer dorthin zu transferieren, wo ihre neuen Freunde sitzen, in China, Russland, der Türkei und Katar. Die westlichen Nationen täten gut daran, jetzt die Evakuierungen mit Hochdruck weiter zu führen und möglichst zum Abschluss zu bringen, bevor die Taliban die finanzielle Autonomie erlangt haben. Denn dann werden in Afghanistan Dämme brechen und auch westliche Politiker täten gut daran, nach 20 Jahren endlich auf die Menschen in Afghanistan zu hören, die ziemlich gut wissen, was sie mit den Taliban erwartet.

Wie dringend die Taliban Geld brauchen, erkennt man an den Berichten von evakuierten Botschaften. Dem Personal wurde verboten, sich auf eigene Faust zum Flughafen aufzumachen, der Transport musste mit den Taliban verhandelt und die Eskorten bezahlt werden.

Jetzt heißt es also mit Vollgas evakuieren und keine Zeit mit typisch europäischen Verwaltungs-Hindernisläufen verplempern. Allerdings, um all denjenigen, die beim Wort „Flüchtling“ bereits in Schnappatmung verfallen, ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen – anders als 2015 müssen dieses Mal alle Ankömmlinge vernünftig registriert und orientiert werden. Aber das sollte doch in einem Land wie Deutschland kein Problem darstellen.

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