Was Sie schon immer zum Thema “Schlichtung & Co.” wissen wollten… (13)

(13) In vorausgegangen Beiträgen dieser Serie war bereits zu lesen, dass es in Deutschland und erst recht EU-weit eine Vielzahl an Verbraucherschlichtungsstelle gibt. Die grenzübergreifende Komponente wurde auch bereits angesprochen. Ebenso klang schon an, dass es Austausch und Zusammenarbeit gibt. Warum Schlichtungsstellen dies tun, welche Netzwerke es gibt und welche Vorteile dies für Verbraucher und Unternehmen bietet, dem widmet sich der heutige Beitrag.

au Verbraucherschlichter arbeiten auch auf europäischer Ebene oft eng zusammen... Foto: USS 2020

(Von Andrea Klinder, Streitmittlerin bei der Universalschlichtungsstelle des Bundes) – Knapp 500 anerkannte Verbraucherschlichtungsstellen gibt derzeit es in der Europäischen Union, Island, Liechtenstein und Norwegen. In Deutschland stehen Verbrauchern und Unternehmen 27 Verbraucherschlichtungsstellen und viele weitere nicht-anerkannte zur Verfügung. Aber arbeitet jede der knapp 500 Schlichtungsstellen nur für sich allein oder nur mit den Schlichtungsstellen im eigenen Land? Nein, denn so unterschiedlich sie auch im Einzelnen sein mögen, die Schlichtungsstellen teilen viele Gemeinsamkeiten und viele von ihnen treffen sich zum Austausch oder schließen sich sogar zu Netzwerken zusammen.

Zunächst einmal teilen sie eine gemeinsame Rechtsgrundlage. Alle Verbraucherschlichtungsstellen arbeiten nach europäischen Vorgaben, der so genannten ADR-Richtlinie und der so genannten ODR-Verordnung. Die ADR-Richtlinie wurde von den EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt, in Deutschland durch das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz. Und alle Schlichtungsstellen arbeiten natürlich im selben Bereich, sie legen ungeachtet von Landesgrenzen Streitigkeiten -zumeist zwischen Verbrauchern und Unternehmen- außergerichtlich bei. Dies bringt ähnliche Aufgaben und Herausforderungen mit sich, auf informatischer, organisatorischer, personeller, finanzieller und menschlicher Ebene. Manche der Schlichtungsstellen arbeiten seit Jahrzehnten erfolgreich, andere sind im selben Bereich tätig, weitere verfügen über Spezialwissen. Es wäre geradezu eine Verschwendung nicht zu versuchen, gegenseitig von den Erfahrungen zu profitieren.

Doch welche Netzwerke gibt es? Vorausgeschickt sei, dass die ADR-Richtlinie bereits die Richtung vorgibt. Sie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, für Kooperation und Erfahrungsaustausch zwischen den Verbraucherschlichtungsstellen bei der Beilegung grenzübergreifender und inländischer Streitigkeiten zu sorgen. Die Europäische Kommission unterstützt hierbei die Vernetzung der Schlichtungsstellen und deren Austausch. 2018 organisierte die Europäische Kommission beispielsweise das ADR Assembly in Brüssel, welches anerkannte Verbraucherschlichtungsstellen, Behörden, ODR-Kontaktstellen, Europäische Verbraucherzentren sowie Verbraucher- und Unternehmensverbände zusammenbrachte. Arbeitstreffen und Schlichtertreffen gibt es übrigens auch in Deutschland regelmäßig.

Eines der großen Netzwerke, das auf eine längere Geschichte zurückschauen kann, ist das FIN-NET. FIN-NET ist das Netzwerk der Organisationen für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherbeschwerden im Finanzdienstleistungsbereich, also im Wesentlichen der Finanzschlichtungsstellen, und umfasst derzeit 60 Mitglieder aus 27 Ländern. Das FIN-NET wurde von der Europäische Kommission initiiert und erleichtert Verbrauchern den Zugang Schlichtung bei grenzüberschreitenden Finanzstreitigkeiten.

Anhand des FIN-NETs lässt sich erkennen, dass die Netzwerke oft fachspezifisch organisiert sind. Ein weiteres jüngeres, fachspezifisches Netzwerk ist das Travel-Net, zu dem sich Reiseschlichtungsstellen aus der Europäischen Union auf Initiative der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr zusammengeschlossen haben. Derzeit umfasst es 27 Schlichtungsstellen, die aus 18 Ländern stammen.

In der Corona-Pandemie waren das Erliegen des Tourismus und die damit verbundenen Reisestornierungen ein wichtiges Thema für Verbraucher und Unternehmen. Das Travel-Net konnte hier Erfahrungen aus den verschiedenen Staaten im Wege von Online-Konferenzen bündeln. Die Informationen, wie in den einzelnen Staaten rechtlich und praktisch mit den Auswirkungen der Reisestornierungen umgegangen wird, stammen von Spezialisten im Reiserecht, die täglich mit einer Vielzahl von Fällen konfrontiert sind und sind daher belastbar. Ergänzend sei erwähnt, dass bei vielen Themen, die Verbraucher betreffen, wie zum Beispiel der Pauschalreise, die zugrundeliegenden Rechtsvorschriften europäischen Ursprungs sind und somit im Kern in allen Mitgliedsstaaten gleich. Dies macht eine Vernetzung umso sinnvoller. Letztlich, aus einem juristischen Blickwinkel, stellen diese Treffen eine Möglichkeit dar, sich über die Anwendung der nationalen und europäischen rechtlichen Rahmenbedingungen auszutauschen und sind eines der eher seltenen Foren für diesen Anlass.

Dass sich die Arbeitsebene trifft, hat sich auch als Vorteil eines weiteren Netzwerks erwiesen. Zu einem informellen Netzwerk schlossen sich die österreichische Schlichtung für Verbrauchergeschäfte, der belgische Ombudsdienst für Verbraucher, der luxemburgische Mediator für Verbrauchergeschäfte und die deutsche Universalschlichtungsstelle des Bundes zusammen. Allen vier Verbraucherschlichtungsstellen ist gemeinsam, dass sie als Auffangstellen konzipiert sind und ein breitangelegtes Zuständigkeitsspektrum bearbeiten, also immer dann greifen, wenn keine speziellere Schlichtungsstelle tätig werden kann. Feststellbar ist, dass trotz teilweise unterschiedlicher Voraussetzungen der ähnliche Zuständigkeitszuschnitt viele identische Herausforderungen mit sich bringt. Die Aufgabe kann also mehr Gemeinsamkeiten mit sich bringen als das Land, in dem sich die Schlichtungsstelle befindet. Der kleine Rahmen ermöglicht einen effektiven und einfachen Austausch, bei dem Themen auch vertieft werden können.

Soweit schön und gut, aber was bringt mir das als Verbraucher oder Unternehmen?

Zunächst einmal eine hoffentlich gut funktionierende, moderne und informierte Schlichtungsstelle. Der Zweck der meisten Netzwerke ist jedoch nicht nur nach innen gerichtet, auf die Kooperation der Schlichtungsstellen untereinander, sondern gerade auch nach außen, als Service für Verbraucher und Unternehmen. Vernetzte Schlichtungsstellen, die sowohl Kenntnisse von als auch Kontakte zu anderen Schlichtungsstellen haben, können Verbraucher und Unternehmen einfacher und sicherer zur zuständigen Schlichtungsstelle leiten und können bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten bei Bedarf unproblematisch über die Schlichtungsstelle im anderen Land Zugang zur Rechtslage in diesem Land erhalten.

Ob eine Schlichtungsstelle gute Arbeit leistet, steht und fällt nicht mit der Mitgliedschaft in einem Netzwerk, letztere sind aber ein gutes Mittel gegen Betriebsblindheit, eine Quelle an neuen Ideen und Kontakten – mit dem Ziel, das Verfahren für Verbraucher und Unternehmer kontinuierlich zu verbessern.

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