Wer kann den Wahnsinn überhaupt noch stoppen?

Die Welt wird immer verrückter. Jeder zeigt auf den anderen, mit Abscheu und Vorwürfen, nur um selbst genau die gleichen Barbareien zu begehen wie die anderen.

Seit Anbeginn der Zeiten muss der Mensch zwischen "Gut" und "Böse" wählen. Und trifft meistens die falsche Wahl. Foto: Julius Schnorr von Carolsfeld / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Früher war es einfacher. Da war die Welt in „Gute“ und „Böse“ unterteilt und das machte es leichter, die Geschehnisse in der Welt für einen selbst einzuordnen. Heute ist das anders. Denn mittlerweile gibt es eigentlich keine „Guten“ mehr. Auch, wenn wir das meinen.

Na klar, das beste Feindbild, das man gerade haben kann, ist der „Islamische Staat“, der es inzwischen durch seine Gräueltaten geschafft hat, sogar den größten Teil der muslimischen Welt gegen sich aufzubringen. Das sind also die Bösen. Aber sind wir deshalb automatisch die „Guten“? Sicher nicht.

Unser großes Vorbild Amerika legt eine vergleichbare Barbarei an den Tag, beispielsweise mit der Hinrichtung der „Texas Seven“. Sieben Gefängnisinsassen waren geflohen, hatten auf der Flucht einen Polizisten erschossen und werden nun, einer nach dem anderen, mit der Giftspritze hingerichtet. Ohne dass jemals ein Gericht festgestellt hätte, wer von diesen sieben den Polizisten tatsächlich erschossen hat. In Nazideutschland nannte man so etwas „Sippenhaft“ und die Todesstrafe wird in jeder zivilisierten Kultur seit langem als der Gipfel der staatlichen Barbarei betrachtet. Wo, bitteschön, ist der moralische Unterschied zwischen den Barbaren des IS, die einen Gefangenen im Käfig bei lebendigem Leib verbrennen und den Barbaren der US-Justiz, die Menschen durch die Giftspritze 45 Minuten lang zu Tode foltern? Keiner von beiden hat das Recht, mit dem Finger auf die anderen zu zeigen.

Und wer ist im Ukraine-Konflikt der „Gute“, wer der „Böse“. Für uns im Westen ist das natürlich klar. Putins Russland ist der „Böse“, denn Putin hat die Krim annektiert. Stimmt, das hat er und das war völkerrechtswidrig. Das dazu durchgeführte Referendum auf der Krim war eine Farce, die Menschen stimmten mit der Maschinenpistole im Rücken ab. Doch macht das die Regierung in Kiew etwa zu den „Guten“? Sicher nicht. Dort mischen inzwischen Neonazis, Ultranationale und andere seltsame Kräfte mit und sind mit genau so großer Vorsicht zu behandeln wie die Russen. Niemand ist gut, niemand ist böse. Alle sind inzwischen alles.

Na, wenigstens wir in Deutschland gehören zu den Guten. Immerhin haben wir eine starke antifaschistische Bewegung und anders als die französischen Nachbarn, die sich gerade immer mehr dem nationalistischen Wahnsinn des Front National hingeben, haben wir unsere Lektion nach dem II. Weltkrieg gelernt. Wirklich? Nein, leider gehören wir auch nicht zu den Guten. Denn wir erlauben es, inzwischen in der dritten Wahlperiode, einer Angela Merkel, Europa den deutschen Vorstellungen anzupassen. Was in den Ländern Südeuropas mittlerweile als „Wirtschaftskrieg“ empfunden wird. Die deutsche Arroganz anzunehmen, dass das, was bei uns halbwegs funktioniert, zwangsweise auch anderswo funktionieren muss, ist nicht nur ein Trugschluss, sondern eine echte Gefährdung für den sozialen Frieden in Europa. Dadurch, dass wir Deutschen mehrheitlich immer wieder für die immer gleichen Politiker stimmen, haben auch wir uns auf die Seite der „Bösen“ geschlagen. Blöd. Denn eigentlich haben wir uns viel mehr in der Rolle der „Guten“ gefallen.

BRICS gegen die USA, die USA gegen Russland, die EU gegen sich selbst und alle anderen, der Mittlere Osten und die arabische Welt in Flammen, Terror in Afrika, fast 50 Millionen Flüchtlinge weltweit – das alles ist nur dadurch möglich, dass inzwischen alle klammheimlich in das Lager der „Bösen“ gewechselt sind.

Es ist allerhöchste Zeit, dass wir uns klarmachen, dass es hierfür Gründe gibt. Zum Beispiel den Grund, dass wir uns mehrheitlich aus der Politik ausgeklinkt haben. Doch mit Sprüchen wie „die machen doch eh, was sie wollen“, übergeben wir brav und blöde immer wieder denjenigen das Heft des Handelns, die uns in diese weltweite Katastrophe hinein manövriert haben. Nachdenken, sich engagieren und die anfangen, die Dinge zu verändern – das muss das Programm für uns alle im Jahr 2015 sein. Und danach. Worüber man vielleicht am Wochenende mal nachdenken sollte.

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