52 Prozent

In die Diskussion um einen erneuten Bahnstreik, Lohnerhöhungen, „Inflationsprämien“ und Arbeitszeitverkürzung platzt eine Zahl, die nicht so toll für alle Beteiligten ist.

48 % der Bahnreisenden haben solche Anzeigen im November gesehen... Foto: Sebastian Terfloth / User Sese Ingolstadt / Wikimedia Commons / CC-SA 2.5

(KL) – Das ist ein neuer Rekord. Im Monat November 2023 schaffte es die Deutsche Bahn, immerhin 52 % ihrer Züge pünktlich ankommen und fahren zu lassen. Diese Zahl dürfte diejenigen Bahnkunden auf die Palme bringen, die in einem der 48 % Züge unterwegs waren, die nicht pünktlich ankamen. Doch sollte man in den anstehenden Verhandlungen für Lohnsteigerungen, „Inflationsprämien“ und Arbeitszeitverkürzungen, wie die die Lokführer-Gewerkschaft GDL fordert, auch die Leistungsdimension berücksichtigen.

Die Leistungsdimension ist genau das Element, das in den Forderungen der GDL fehlt. Die Prämien und Boni, die von der GDL gefordert werden, sind reine Herzschlag- und Atemprämien, denn sie haben weder etwas mit dem wirtschaftlichen Ergebnis des Arbeitgebers, noch mit dem Erreichen von Qualitätszielen zu tun. Doch in welchem Unternehmen kann man es sich leisten, Prämien dafür auszuschütten, dass es die Mitarbeiter schaffen, ein- und auszuatmen und zu existieren?

Dass Bahnfahren in Deutschland zum Abenteuer wird, bei dem man eine Fifty-Fifty-Chance hat, pünktlich oder überhaupt sein Ziel zu erreichen, ist eigentlich kein Argument, um so satte Forderungen zu stellen, wie die GDL das tut. 555 € mehr pro Monat, 25 % Schichtzulage, 3000 € „Inflationsprämie“ und eine Arbeitszeitverkürzung um 3 Wochenstunden – alles schön und gut, doch sollte dieser Schluck aus der Pulle an Ergebnisse gekoppelt werden. Prämien sollten eine Belohnung für gute Arbeit sein und dass in Deutschland nur einer von zwei Zügen pünktlich fährt, ist eben kein Zeichen für gute Arbeit.

Prämien, Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen sollten nicht dafür gewährt werden, dass die GDL-Mitglieder leben, sondern sie sollten an das Erreichen konkreter Leistungsziele gebunden sein. Denn die Bahn ist ein Staatsunternehmen, das von der Allgemeinheit finanziert wird und die Allgemeinheit hat einen Anspruch darauf, dass dieser Dienst auch funktioniert. Bei einer Pünktlichkeit von 52 % muss man aber festhalten, dass dieser Dienst nur zur Hälfte funktioniert, weswegen auch Lohnerhöhungen und andere Vorteile dann eben auch nur zur Hälfte gewährt werden sollten.

Auch die GDL muss irgendwann verstehen, dass ihre Mitglieder in einem Dienstleistungsunternehmen arbeiten und dass die Kunden dieses Unternehmens einen Anspruch auf einen funktionierenden Service haben, den sie finanzieren und dazu bei jeder Inanspruchnahme noch einmal bezahlen.

Vielleicht sollte man bei der Bahn ein ganz neues, leistungsbezogenes Modell für einen neuen Tarifvertrag entwickeln. Fette Lohnerhöhungen und Prämien sollte es dann geben, wenn die Ergebnisse dies rechtfertigen. Und das ist momentan nicht der Fall. In jedem „normalen“ Unternehmen gibt es Prämien und Lohn- und Gehaltserhöhungen dann, wenn das dafür erforderliche Geld erwirtschaftet wurde, nicht aber, wenn die Leistung der Mitarbeiter nur zur Hälfte korrekt erbracht wird.

Dass Mitarbeiter am Erfolg ihres Arbeitgebers partizipieren sollen, ist richtig und sollte ein Anreiz für Leistung sein. Dafür kämpfen Gewerkschaften, das ist ihre Aufgabe. Doch wenn eine Leistung nur zur Hälfte erbracht wird und der Arbeitgeber Schulden machen muss, um die Forderungen der ohnehin gut bezahlten Belegschaft zu erfüllen, dann ist das ein wenig aus der Zeit gefallen.

Für die nächste Streikwelle in einem Unternehmen, das Probleme hat, seinen Kunden eine zuverlässige Leistung zu bieten, darf die GDL nicht auf die Solidarität der Bahnkunden zählen. Diese wünschen sich in erster Linie, dass die Bahn und deren Mitarbeiter nicht 50 %, sondern möglichst 100 % Leistung bringen, bevor man über weitere Vergünstigungen spricht. Denn das ist die Realität, mit der auch die meisten Bahnkunden an ihren eigenen Arbeitsplätzen konfrontiert sind. Dort gilt zumeist, dass Mitarbeiter, die nur 50 % Leistung bringen, keine Prämien erhalten, sondern in der Personalabteilung ihre Papiere abholen und sich einen neuen Job suchen können…

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